Mit seinen drei prächtigen Barockfassaden und herrschaftlichen Portalen fügt sich das Humboldt Forum städtebaulich harmonisch in sein Umfeld ein – so, als hätte es seit jeher in der historischen Mitte Berlins gestanden. Dieses „Berliner Schloss“ ist jedoch ein radikaler Neubau voller architektonischer Spannungslinien, Verweise auf die wechselhafte Geschichte des Ortes und moderne Neuinterpretationen durch den italienischen Architekten Franco Stella.
Grundlage für den internationalen Wettbewerb, bei dem Franco Stella 2008 einstimmig den ersten Platz erhielt – ein zweiter Platz wurde nicht vergeben – war der Beschluss des Deutschen Bundestages für den Wiederaufbau 2002. Eine große fraktionsübergreifende Mehrheit folgte der Empfehlung der internationalen Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ für ein Museums-, Wissens- und Begegnungszentrum in der Kubatur und mit den barocken Fassaden des Berliner Schlosses.
Der Prozess bis zur Grundsteinlegung 2013 war begleitet durch eine breite gesellschaftliche Debatte, die bis heute anhält. Die Rekonstruktion der barocken Fassaden von Andreas Schlüter – in Auftrag gegeben von Kurfürst Friedrich III. und getragen von dem Willen, als König Friedrich I. seiner Herrschaft einen baulichen Ausdruck zu geben – bedeutet für die einen auch die Wiederherstellung eines historischen Stadtraums. Denn die Fassaden stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Bauwerken auf der Museumsinsel und Unter den Linden. Für die anderen ist diese Rückwärtsgewandtheit jedoch schwer nachvollziehbar. Hinzu kommt die Auseinandersetzung um den Abriss des Palastes der Republik sowie seine kulturelle Nachnutzung. An diesem Ort wurde zum wiederholten Mal Geschichte geschrieben, hier wurde der Prozess der Wiedervereinigung ausgetragen.
Ausgehend von der komplexen und nicht widerspruchsfreien Entstehungsgeschichte, bündeln wir in diesem Dossier Beiträge zu den faszinierenden Gegensätzen und Verbindungen in der Architektur. Mit der Passage quer durch das Gebäude und dem Schlüterhof erschließt Franco Stella neue öffentliche Stadträume. Ostfassade, Schlüterhof, Spreeterrassen und Foyer – modern interpretiert – bergen enormes Potenzial und Raum für Begegnungen, Austausch und zeitgemäße Veranstaltungen. Horst Bredekamp, einer der Gründungsintendanten des Humboldt Forums, erläutert das Zusammenspiel von Gegenpolen und schlägt den Bogen von Franco Stellas „razionalismo“ zu einem Verständnis für eine gelungene architektonische Einbettung des Berliner Schlosses in die Geschichtlichkeit der Architekturordnungen. Mit dem Beitrag von Bertold Just würdigen wir die künstlerische und handwerkliche Meisterleistung bei der Rekonstruktion der barocken Fassaden. Das traditionelle Handwerk steht im Kontrast zu moderner Technik und nachhaltiger Energieversorgung, die das Gebäude auszeichnen. Und nicht zuletzt findet sich hinter den barocken Fassaden moderne Kunst, die zur Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe anregt und Verbindungen schafft – insbesondere zu dem Umgang mit den ethnologischen Sammlungen der Dauerausstellungen.