Dieser Artikel ist Teil des Features „Das Berliner Schloss 2.0. Beton und Barock

Berlin von oben

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Was gibt es Schöneres, als an einem lauen Sommerabend über der Stadt in den Sonnenuntergang zu schauen, vielleicht mit einem kühlen Getränk in der Hand die eindrucksvollen Ausstellungen und interessanten Vorträge im Humboldt Forum noch einmal Revue passieren zu lassen und mit Familie oder Freunden zu diskutieren? Nicht nur im Sommer wird das neue Dachrestaurant auf dem Berliner Schloss ein begehrter Ort sein, um im Humboldt Forum einmal innezuhalten und den Blick über die Dächer von Berlin zu genießen.

Dabei war es gar nicht von Anfang an so geplant, das Dach auf dem Schloss nicht nur begehbar zu machen, sondern dort auch ein Restaurant zu errichten. Denn die Aufgabe an den Architekten lautete wie das Sprichwort: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ Besonderes Fingerspitzengefühl war in der Außengestaltung der Restaurantfassade gefragt. Sollte doch dieser Dachaufbau nicht die Ansicht der rekonstruierten Schlossfassaden von den Linden aus stören, wohl aber den Blick von oben auf die Prachtallee und die Bauten am Lustgarten gewähren.

Die geringe Höhe, die zurückhaltende Gestaltung der Fassade mit hellen Architekturbetonelementen und die mächtige, historisch rekonstruierte Sandsteinbalustrade am Dachabschluss sorgen dafür, dass die Ansicht vom Schloss nicht wirklich gestört wird. Ohnehin wird das Restaurant erst bei einem Abstand von mehreren Hundert Metern überhaupt als ein schmaler Strich über der Dachlinie erkennbar sein.

Mit seinen gut 130 Plätzen nimmt das Restaurant aber nur einen Teil der Fläche auf dem Schlossdach ein. Um das Restaurant herum ist ein breiter Gehstreifen vorgesehen, sodass man direkt bis an das kupfergedeckte Satteldach an der Außenseite herantreten kann. Und auch der südliche Dachbereich im Westflügel des Gebäudes wird für Besucher offen und begehbar sein.

Das Gebäude tut nicht so, als hätte es das Schloss immer gegeben

Im Schlüterhof, in der Passage wie im Humboldt Foyer, der großen Eingangshalle an der Westseite, und natürlich an der mächtigen modernen Fassade zur Spree hin macht der Schlossnachbau mit dem Kontrast von historisch rekonstruierten und modernen Fassaden deutlich, dass er ein Neubau ist. Das Gebäude tut eben nicht so, als hätte es das Schloss immer gegeben. Nein, für manche Betrachter sogar schmerzlich erinnert es damit an die tragische Geschichte dieses Landes im 20. Jahrhundert. Und das gilt auch für die Nordwestecke zu den Linden.

Aber genau mit diesem Widerspruch zwischen alt und neu erwirbt das Humboldt Forum im Berliner Schloss sein Alleinstellungsmerkmal im Reigen der vergleichbaren europäischen Ausstellungshäuser und Museen in Paris, London oder eben auch Bilbao. Vielleicht bietet das Dachrestaurant auch in diesem Sinne einigen Anlass zur Diskussion an einem lauen Sommerabend über den Dächern von Berlin …

Autor*in
Foto von Bernhard Wolter
Bernhard Wolter

Bernhard Wolter hat Germanistik und Politologie sowie Architektur studiert. Er ist ehemaliger Leiter der Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, für die er von 2009 bis 2021 tätig war.