Einen halben Meter groß sind die einzelnen Buchstaben, die Ralf de Moll und Christiane Dellbrügge auf den Wänden des 180 Quadratmeter großen Foyers der beiden Veranstaltungssäle im Humboldt Forum montiert haben. Sie bilden ein den Raum prägendes und erhabenes Schriftband, das wie ein Fries die Wände umlaufend schmückt: „Die Architekten“. Die Lettern ergeben die Vornamen aller Architekten, die das Berliner Schloss und an diesem Ort gebaut haben. Sie reflektieren die 600-jährige Historie des Ortes und des Gebäudes: den Renaissancebau unter Konrad Krebs, die barocke Überformung unter Andreas Schlüter, den Bau des Palastes der Republik und die Rekonstruktion des Schlosses unter Franco Stella.
Einstimmige Empfehlung
Politische und gesellschaftliche Zeitläufte, Machtanspruch und Repräsentationswillen, Zerstörung, Mut, Wiederaufbau bestimmten die wechselhafte Geschichte des Schlossplatzes. In dem „Kunst am Bau“-Wettbewerb, der vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung im Auftrag der Bauherrin, der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, ausgeschrieben wurde, hatte die Jury diese Arbeit einstimmig zur Realisierung empfohlen. „Die Buchstaben in ihrer Schnörkellosigkeit unterstreichen den Rationalismus der Architektur von Franco Stella“, lobte das Preisgericht. „Die Geschichte des Gebäudes wird einerseits durch die Namensnennung reflektiert und andererseits geöffnet.“
Material aus dem Palast der Republik
Das Künstlerduo Christiane Delbrügge und Ralf de Moll arbeitete drei Monate lang an den 110 Monumentalbuchstaben: Sie entwarfen die Schrift, kreierten die Formen, gossen die Buchstaben mit Betonmasse aus und montierten sie schlussendlich im Foyer des Berliner Schlosses. Auf der Suche nach dem idealen Material für die Lettern wurden sie ausgerechnet auf dem Schlossplatz fündig: in den Betonfundamenten des Palastes der Republik. Die abgetragenen Betonstücke wurden zertrümmert und sechs Tonnen grober, mittlerer und feiner Beton an die Werkstatt von Delbrügge und de Moll geliefert. So entstanden aus dem Recyclingbeton Buchstaben der „Sans Serif“-Type, einer serifenlosen Antiqua. Sie ist bekannt als Schrift für Architekten, Bildhauer und Ingenieure, die im Zuge des Klassizismus und Rationalismus lineare Majuskelschriften für ihre Entwürfe und Baupläne verwendeten.
Spiel mit Hierarchien und Wahrnehmungen
Delbrügge und de Moll haben so einen Fries geschaffen, der die Architektur mit einbezieht und sie zugleich im Hier und Heute verortet. Vorname an Vorname, lückenlos aneinandergereiht, lädt die Buchstabenkette zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes ein. Zugleich sorgt sie für Irritation, kann man doch in den fortlaufenden Buchstaben auch weitere Begriffe und Namen entdecken: old etwa, Anna oder Johanna. Das wurde von der übrigens mehrheitlich weiblich besetzten Jury ausdrücklich betont. Denn mit der Neuinterpretation, dem Spiel mit Hierarchien und Wahrnehmungen verkörpert es das Ziel des Humboldt Forums als Ort des Erlebens, des Lernens und der Begegnung – zu erleben ab September 2020.