Humboldt Forum: Herr Strang, Wandbilder aus Meissener Porzellan hatten in der DDR eine lange Tradition, etwa das Wandbild von Max Lingner im ehemaligen Haus der Ministerien. Das 1975 geschaffene Relief für den Palast der Republik unterschied sich in der Formensprache deutlich von diesen. Wie kam es dazu?
Peter Strang: Ich arbeitete damals gemeinsam mit Ludwig Zepner, Rudi Stolle und Heinz Werner in dem Kollektiv Künstlerische Entwicklung des VEB Staatliche Porzellanmanufaktur Meißen. Als der Palast der Republik gebaut wurde, fragten uns die Architekten, ob wir nicht Porzellanwände machen wollten. In der bildkünstlerischen Gestaltung waren wir frei, es gab nur zwei Vorgaben: Es sollte keine politische und keine figürliche Darstellung sein. Die Idee zu dem Motiv entstand, als wir uns in einer Mittagspause auf eine Wiese unter Bäumen legten und die Sonne durch das Geäst schien. Als wir an dem Entwurfsmodell arbeiteten, wurde schnell klar, dass wir keine Fliesenwand gestalten wollten. Ich bin Modelleur und Plastiker, deshalb reizten mich die künstlerischen und handwerklichen Möglichkeiten einer Plastik. Wir entschieden uns für Blüten und Sonnenstrahlen aus weißem und vergoldetem Porzellan und einen Grund aus Böttgersteinzeug – der auch den Architekten gefiel. Unser Entwurf wurde unter vielen anderen Einreichungen für das Palast-Restaurant ausgewählt.
Es entstanden zwei als Pendant gestaltete Reliefs, die die rund 3 x 5 Meter langen Stirnseiten des Raumes schmückten. Die einzelnen Elemente waren bis zu 30 Kilogramm schwer. Wie beherrschbar sind diese Materialien?
Wir waren alle sehr erfahrene Porzellanmoduleure und Plastiker, diese Arbeit aber war handwerklich eine ganz besondere Herausforderung. Gerade die großen Porzellanelemente waren enorm schwer zu fertigen: Wir mussten die Masse so lange durchschlagen, bis alle Luftblasen entfernt waren. Sonst wäre das Porzellan im Ofen geplatzt. Es durfte auch nicht zu weich werden, deshalb mussten wir die Porzellanmasse zusätzlich mit gebrannten Scherben anreichern. Dann das vorsichtige Gießen und Schneiden der Flächen per Hand – das ist wie der erste Sprung vom Zehnmeterbrett. Dass das Resultat letztlich noch schöner wurde als der Entwurf, hat uns natürlich sehr gefreut.
Wie ordnen Sie den Auftrag in Ihr damaliges Schaffen ein?
Der Palast der Republik war der genialste und monumentalste Bau in der DDR, und es war schön, dort mitarbeiten zu können. Solche Aufträge bekommen Sie nicht oft in Ihrem Leben. Wir konnten uns ausleben und fast alle handwerklich-technischen Möglichkeiten dieser Materialien ausschöpfen. Das war schon etwas Besonderes, das hat es zu dieser Zeit nicht oft gegeben.
Die Porzellanwand ist eines von insgesamt zwölf inhaltlich und formal sehr unterschiedlichen Exponaten, die als Teil der „Spuren“ zur Geschichte des Ortes zentrale Aspekte der Funktion und Nutzung des Palastes der Republik veranschaulichen. Daneben hat die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss 2019 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wesentliche Teile der Inneneinrichtung des Hauses übernommen. Sie verfügt damit über einen bedeutenden Grundstock an Objekten, um sich immer wieder neu mit der wichtigen Geschichte des Vorgängerbaus des Humboldt Forums auseinanderzusetzen. Dies geschieht im Rahmen der Präsentation der 800-jährigen Geschichte des Ortes des gleichnamigen Bereichs der Stiftung.
Speisen vor Meißner Porzellan
Fast 70 Millionen Gäste zählte der 1976 eröffnete Palast der Republik in seiner nur 14-jährigen Betriebszeit. Einen maßgeblichen Anteil am Erfolg hatten dabei die gastronomischen Einrichtungen mit einem abwechslungsreichen Angebot. Das größte der insgesamt 13 Restaurants, Cafés, Bars und Kneipen war das Palast-Restaurant. Im ersten Stock gelegen, öffnete es sich mit seiner langen Fensterfront zum Dom und zur Museumsinsel.
Beauftragt mit der monumentalen Wandgestaltung des Palast-Restaurants wurde das Kollektiv Künstlerische Entwicklung des VEB Staatliche Porzellanmanufaktur Meißen. Der Entwurf von Peter Strang, Ludwig Zepner, Rudi Stolle und Heinz Werner war gleichsam eine Reverenz an die Natur und unterstrich den repräsentativen Charakter: Zwei als Pendant gestaltete florale Reliefs erstrecken sich wandfüllend an den Stirnseiten des Raumes. Große stilisierte Blätter und Blüten aus weißem Porzellan sind auf braunem Böttgersteinzeug appliziert. Vergoldete Flächen und organisch geformte Fugen zwischen den Platten erwecken den Eindruck eines durch Baumgeäst durchscheinenden Sonnenlichts. Den Gesamtkunstwerkanspruch des Raumes unterstreicht die korrespondierende Inneneinrichtung mit goldgelbem Teppich und dunklem Nussholzfurnier. Die expressive Gestaltung verlieh dem Raum nicht nur einen individuellen, dem Nutzungskonzept entsprechenden festlichen Charakter, sondern symbolisierte zudem die Leistungsfähigkeit und Vorzeige-Produktion der DDR-Volkswirtschaft.
Nach der Schließung des Palastes der Republik fand eines der Wandbilder im Bundesministerium der Finanzen seinen Platz. Die 300 einzelnen Elemente des zweiten spiegelverkehrten Reliefs wurden von der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen restauriert. Sie werden gegenwärtig auf die Anbringung im Humboldt Forum vorbereitet. Im zur Spree hin gelegenen Restaurant wird das Werk dann wieder eine Funktion erfüllen, die der ursprünglichen Intention der Künstler entspricht.