Energieeffizient zu bauen, ist heute selbstverständlich. Welche besonderen Anforderungen stellt hier ein Bauwerk wie das Humboldt Forum?
Thomas Hermann: An ein Gebäude dieser Größenordnung und dieser Funktionalität muss man auch beim Thema Nachhaltigkeit ganz anders herangehen als an ein Einfamilienhaus. Zum Beispiel ist im Humboldt Forum das Thema Kühlen das ganze Jahr über besonders wichtig – vor allem während der Öffnungszeiten, wenn Beleuchtung und Besucher Wärme und Feuchte abgeben. Die Kälte- und Wärmeleistung, die wir für das Humboldt Forum benötigen, würde für 1.500 bis 2.000 Einfamilienhäuser ausreichen. Das verdeutlicht ganz gut die Dimensionen, von denen wir hier reden. Dabei unterschreitet das Gebäude dank gut dämmender Fenster und Wände die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) von 2009 um mehr als 30 Prozent.
Abgesehen von der Größe – welche Besonderheiten gibt es noch?
Das Nachhaltigkeitskonzept setzt sich aus vielen kleinen Mosaiksteinen zusammen, die die speziellen technischen Anforderung seiner Aufgaben berücksichtigen. So benötigen die Objekte und Kunstwerke des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst oder auch die Leihgaben auf den Sonderausstellungsflächen ein jeweils ganz spezielles Raumklima – organische Materialien zum Beispiel eine Umgebung, in der Raumtemperatur und Raumfeuchte möglichst konstant sind. In mehreren sogenannten thermodynamischen Behandlungsstufen wird deshalb im gesamten Ausstellungsbereich die Luft im Sommer entfeuchtet und gekühlt, im Winter befeuchtet und erwärmt. Solche Prozesse verbrauchen viel Energie. Also haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir diese Energie möglichst effizient nutzen und auch selbst erzeugen können.
Das Humboldt Forum erzeugt Energie?
Ja, und zwar mithilfe von Geothermie, wir nutzen also die Wärmeenergie in der Erde. Dafür bohren wir 100 Meter tiefe Löcher für insgesamt 111 Sonden. Das sind u-förmige Rohre, in denen Wasser zirkuliert. Dort unten herrschen ziemlich konstant 12 °C. Im Sommer leiten wir die Wärme aus dem Gebäude über die Sonden in die Erde und speichern sie dort; im Winter holen wir sie wieder hoch und beheizen damit das Gebäude.
Sie sagten, die Kühlung spiele im Humboldt Forum eine besondere Rolle. Das ist ein energieintensiver Prozess.Wie senken Sie hier den Verbrauch?
Um die Kälteenergie möglichst effizient zu nutzen, haben wir die Kältenetze in zwei Bereiche geteilt: einer dient zum Entfeuchten und Kühlen, der andere nur zum Kühlen. In den Ausstellungsräumen muss immer entfeuchtet und gekühlt werden. Diese Bereiche machen immerhin rund die Hälfte der mehr als 40.000 Quadratmeter aus. In anderen Bereichen, beispielsweise den Serverräumen, reicht es hingegen zu kühlen. Es werden aber auch nicht alle Gebäudeflächen gekühlt, große Bereiche werden auch nur belüftet und beheizt. Dadurch sparen wir insgesamt viel Energie.
Und wie ist das beim Thema Lüftung?
Hier greifen wir auf eine alte, aber heute leider immer seltener genutzte Methode zurück: Wir nutzen einen Teil der Abluft als Zuluft. Nachts, wenn kein Licht brennt und keine Besucher da sind, wird die Luft einfach umgewälzt, also keine Frischluft zugeführt. Das geschieht erst tagsüber, wenn viele Besucher in den Räumen sind. Dann leiten wir frische, aufbereitete und aufgewärmte Außenluft ins Innere. Ein CO2-Sensor misst automatisch die Zusammensetzung der Luft und reguliert die Zufuhr.
Warum werden außer Erdwärme keine anderen erneuerbaren Energien genutzt, beispielsweise Photovoltaik?
Zum einen verzichten wir aus gestalterischen Gründen auf Solarzellen auf dem Dach. Zum anderem hat das aber auch energietechnische Gründe: Das Humboldt Forum hat einen Strombedarf von etwa 4.000 Kilowatt. Solarenergie könnte optimistisch gerechnet 200 Kilowatt dazu beitragen. Wir müssen die Energieversorgung jederzeit sicherstellen und deshalb jeden Monat eine garantierte Strommenge einkaufen. Der relativ geringe und zudem schwankende Anteil Sonnenstrom würde daran nichts ändern.
Was macht das Humboldt Forum noch nachhaltig?
Ein wichtiger Aspekt, gerade für die Spree-nahe Innenstadt, ist unser Umgang mit Regenwasser. Wir haben ja im letzten Sommer erlebt, wie extrem Straßen und Unterführungen bei Starkregen überflutet sind, wie U-Bahn-Treppen zu Wasserfällen werden. Die Berliner Kanalisation kann diese Wassermassen nicht mehr fassen. Problematisch ist das auch deshalb, weil wir hier eine Mischkanalisation haben, in der Regen und Abwasser zusammen aufgefangen werden. Läuft sie über, fließt das Wasser in die Spree und andere Flüsse und Seen ab. Bei Regenwasser ist das nicht so dramatisch, bei verunreinigtem Abwasser aus den Toiletten aber sehr wohl. Deshalb fangen wir das Regenwasser auf und leiten es direkt in die Spree statt in die Kanalisation. Das Grundstück des Humboldt Forum umfasst eine Fläche von circa 40.000 Quadrat metern, da kommen einige Millionen Liter Regenwasser zusammen, um die die Kanalisation so entlastet wird.
Interview: Kristina Simons