Potter und Mijtens
Diese beiden Gemälde erzählen zwei verschiedene Geschichten der Ausstellung. In den Jahren um die Französische Revolution 1789 erfuhr Europa starke Erschütterungen. In vielen Ländern waren die Menschen nicht länger bereit, die Privilegien hinzunehmen, die Könige, Adlige und die Kirche genossen. Die Niederlande machten da keine Ausnahme: 1787 versuchten Patrioten, den Stadthalter Wilhelm V. zu stürzen – ohne Erfolg. Dieser Aufstand wurde mit militärischer Unterstützung des Königs von Preußen, Schwager des Stadthalters, niedergeschlagen. Als französische Revolutionstruppen 1794 in die Niederlande einfielen, „um das Volk zu befreien“, floh Wilhelm V. nach England. Er ließ eine große Sammlung niederländischer und flämischer Kunst des 17. Jahrhunderts zurück und nahm nur seine begehrtesten Besitztümer mit.
Der Vertrag von Den Haag legte 1795 nicht nur fest, dass die Niederlande französisches Territorium seien, sondern auch, dass ein großer Teil der Kunstsammlung Wilhelms V. an den französischen Staat ginge. Zu den beschlagnahmten Werken zählten auch die beiden Gemälde von Potter und Mijtens, die hier zu sehen sind. Insgesamt landeten fast 200 Bilder im Pariser Louvre.
Nach der Niederlage Napoleons in Waterloo 1815 bargen die Niederlande so viele der erbeuteten Kunstwerke wie möglich. Eine große Zahl von Gemälden wurde zurückgegeben, darunter Im Wasser spiegelnde Kühe von Paulus Potter. Viele weitere jedoch – wie das Werk von Jan Mijtens – verblieben im Eigentum Frankreichs.
1818 stellten die Niederlande jegliche Bemühungen ein, die verbleibenden Werke in die Heimat zu holen. Das Mauritshuis wurde als Aufbewahrungsort für die aus Paris zurückgekehrten Stücke bestimmt, wo sie bis heute zu sehen sind. Die leeren Plätze dieser Galeriewand stehen für jene Kunstwerke, die nicht restituiert wurden.
Die Statthalter-Sammlung
Während der französischen Invasion 1795 wurde die Gemäldesammlung des Statthalters Wilhelm V. in dessen Galerie auf dem Buitenhof in Den Haag ausgestellt (heute als Ableger des Mauritshuis für Besucher zugänglich). Das erste öffentliche Museum der Niederlande hatte dort 1774 seine Pforten geöffnet und präsentierte hauptsächlich niederländische und flämische Kunst des 17. Jahrhunderts. Die meisten ausgestellten Werke kamen aus der privaten Sammlung Wilhelms V., ein kleiner Teil wurde noch von seinem Vater erworben. Die Oranier waren bereits im 17. Jahrhundert passionierte Kunstsammler, aber nach und nach landeten ihre Gemälde im Ausland. Zu der Zeit Wilhelms V. wurde die frühere fürstliche Pracht der Statthalter-Sammlung jedoch wiederhergestellt.
Der Louvre
1793 wurde der Louvre von einem Königspalast in ein öffentliches Museum umgewandelt, das zunächst Muséum central des arts de la République und später Musée Napoléon hieß. Dem revolutionären Ideal der Gleichheit folgend, mussten die beschlagnahmten Kunstschätze, die zuvor dem König, der Kirche und dem Adel angehörten, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In den folgenden zwei Jahrzehnten führten verschiedene „künstlerische Eroberungen“ die wertvollsten Meisterwerke aus Europa und Ägypten im Louvre zusammen. Die 194 Gemälde aus der Galerie Wihelms V. in Den Haag wurden nach ihrer Ankunft in Frankreich mit „stat“ für „Statthalter“ markiert. Nur etwa 40 Werke davon wurden ausgestellt, der Rest eingelagert.
Aneignung durch Restaurierung
Bei ihrer Ankunft in Paris waren die meisten Gemälde des Statthalters in einem guten Zustand. Nur acht Kunstwerke wurden in Paris restauriert, darunter Paulus Potters Im Wasser spiegelnde Kühe, um sie für ihre neuen Standorte in verschiedenen französischen Museen vorzubereiten. Dies lässt sich als Teil eines „Aneignungsrituals“ verstehen: Durch die Auslöschung sämtlicher sichtbaren Spuren früherer Eigentümer wurde sozusagen die Zeit zurückgedreht, zurück zu dem Moment, als die Gemälde frisch von der Staffelei kamen. Frankreich, das sich nunmehr als rechtmäßiger Eigentümer sah, investierte gern in diese Art der Restaurierungsmaßnahmen.
Rückgabe
Nach der Kapitulation Frankreichs 1814 wurde die Stabilität des Landes zu einer vordringlichen Angelegenheit in Europa. Um den neu gekrönten französischen König Ludwig XVIII. nicht unter Druck zu setzen, wurden zunächst keine Abkommen über die Restitution geraubter Kunst geschlossen. Erst im November 1815 wurde offiziell entschieden, dass alle erbeuteten Kunstwerke, die sich noch in Paris befanden, zurückgegeben werden sollten. In der Zwischenzeit hatten jedoch viele Länder – darunter auch die Niederlande – die Angelegenheit schon selbst in die Hand genommen und die Gemälde aus dem Louvre zurückgeholt. Vereinbarungen über konfiszierte Stücke, die an andere Orte in Frankreich verbracht worden waren, wurden allerdings nie getroffen.
Nationales Erbe
Der französische Kunstraub brachte viele europäische Länder dazu, über ihr nationales Erbe nachzudenken. Wie ließen sich Kunstwerke von unschätzbarem Wert am besten vor Raub, Verfall und Zerstörung schützen? Die schmerzhafte Tatsache, dass bedeutende niederländische Gemälde während der französischen Besatzungszeit nur in Paris zu sehen waren, hatte klar vor Augen geführt, dass das nationale Erbe der Niederlande angreifbar war. Dies rief patriotische Gefühle hervor. Es ist daher nicht überraschend, dass genau in dieser Zeit viele, sowohl in den Niederlanden als auch in vielen anderen europäischen Länder, Nationalmuseen gegründet wurden, wo restituierte Werke Seite an Seite vereint mit nationaler Kunst ausgestellt wurden.