Leerstellen.Ausstellen.
bis 16.06.2024
{{ time.start_TS | TS2dateFormat('MMM') }}
{{ time.start_TS | TS2dateFormat('YYYY') }}
Eintritt frei |
Deutsch, Englisch, Suaheli |
2. OG |
Im Ethnologischen Museum Berlin befinden sich rund 10.000 Objekte, die dem Gebiet des heutigen Tansania zugeschrieben werden. Ein großer Teil der Objekte wurde in der Zeit der deutschen und britischen Kolonialherrschaft – oft gewaltvoll – angeeignet. Die Werkstattausstellung Leerstellen.Ausstellen – Objekte aus Tansania und das koloniale Archiv befragt, erinnert und betrachtet die Objekte des Museums und ihre Geschichten neu: Wem und wohin gehör(t)en die Objekte, die sich heute im Museumsdepot befinden? Welche Geschichten haben sie, welche wurden bis heute nicht erzählt oder ignoriert? Sollten diese Objekte heute noch in Berlin ausgestellt werden? Und welche Leerstellen begegnen uns in der Auseinandersetzung mit diesen Themen, was bleibt verborgen?
Die problematische kolonial-rassistische Vergangenheit der Objekte wird in mehreren Sektionen thematisiert. So stehen in der Ausstellung vier Vitrinen, in denen statt Originalobjekten aus der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ „Stellvertreter*innen-Objekte“ u.a. von zeitgenössischen Künstler*innen zu sehen sind. Sensible Objekte erfahren so eine Sichtbarkeit und neue zeitgemäße Annäherung. Auch Leerstellen und Lücken – in Archiven, in der Geschichtsschreibung – werden sichtbar gemacht: Ihre Spur wird durch leere Textfelder und pinkfarbene Flächen verdeutlicht.
Diese Ausstellung ist eine Auseinandersetzung des Berliner kuratorischen Teams mit sensiblen Objekten aus Tansania nach Beratung durch ein Team von Critical Companions. Sie versteht sich als Vorbereitung für ein kollaboratives Projekt und soll in eine gemeinsam mit dem National Museum of Tanzania kuratierte Präsentation münden. Im Zeitraum der Laufzeit werden Sichtweisen verschiedener Kooperationspartner*innen und neu erarbeitete Forschungsergebnisse des kuratorischen Teams in die Ausstellung integriert. So war bereits von März bis Juli 2023 eine Intervention mit dem Titel Mingled Living Forces von Kunststudierenden der weißensee kunsthochschule berlin zu sehen (Dozentinnen: Juana Awad, Fachbereich Theorie und Geschichte und Elaine Bonavia, Fachbereich Textil und Flächendesign) und seit Oktober 2023 eine Intervention von Studierenden des Seminars „Kolonialismus ausstellen“ (Dozent: Janis Nalbadidacis, Institut für Geschichtswissenschaften) der Humboldt-Universität zu Berlin mit dem Titel Leerstellen.Ausstellen.Weiterdenken. Eine weitere Phase mit künstlerischen Positionen ist für 2024 geplant. Es lohnt sich also immer, noch einmal vorbei zu schauen. Seid herzlich willkommen!
Seit Oktober 2023: Weiterentwicklung Kooperation Humboldt-Universität zu Berlin
Am 19. Oktober 2023 wurde die dritte Phase der Werkstattausstellung Leerstellen. Ausstellen – Objekte aus Tansania und das koloniale Archiv im 2. OG des Humboldt Forums mit dem Titel Leerstellen.Ausstellen.Weiterdenken eröffnet. Neu zu sehen sind Interventionen, Kommentare und Erweiterungen der bestehenden Ausstellungselemente von Studierenden des Seminars „Kolonialismus ausstellen“ (Dozent: Janis Nalbadidacis, Institut für Geschichtswissenschaften) der Humboldt-Universität zu Berlin und weitere neue Infos, Abbildungen, Geschichten und Perspektiven des kuratorische Teams des Humboldt Forums.
Zur Eröffnung sprachen Herr Dorgerloh, für das Humboldt Forum, Janis Nalbadidacis, für das Seminar und Maike Schimanowski, für das kuratorische Team. Anschließend konnten die Besucher*innen in einem dialogischen Rundgang mehr über die Hintergründe der Diskussionen und Ansätze des Seminars sowie über die Inputs durch die Studierenden und das kuratorische Team erfahren. Während einer kurzen Pause wurde der Bereich unter dem Titel „sich positionieren“ für eine Diskussionsrunde umgebaut, bei der die Themen und Fragen, die im Rahmen der Kollaboration behandelt wurden, reflektiert und mit dem Publikum diskutiert wurden.
MINGLED LIVING FORCES
Eine zeitgenössische Kunstintervention in der Werkstattausstellung Leerstellen.Ausstellen
11.03.23 – 25.07.23
2. OG, Humboldt Forum
Wie können die Spuren kolonialer Gewalt künstlerisch reflektiert werden? Wie kann man in einem ethnologischen Museum aesthetisch intervenieren, während die Rückgabe geraubter materieller Kultur und menschliche Überreste stattfindet? Wie lassen sich spekulative Zukünfte entwerfen?
Im Ethnologischen Museum Berlin befinden sich rund 10.000 Objekte, die dem Gebiet des heutigen Tansania zugeschrieben werden. Ein großer Teil der Objekte wurde in der Zeit der deutschen und britischen Kolonialherrschaft – oft gewaltvoll – angeeignet. Die Werkstattausstellung Leerstellen.Ausstellen – Objekte aus Tansania und das koloniale Archiv befragt, erinnert und betrachtet die Objekte des Museums und ihre Geschichte neu. Im Rahmen der Ausstellung haben sich Studierende unter dem Titel MINGLED LIVING FORCES mit kolonialer Gewalt auseinandergesetzt. Mit Performance, Installation, Druck, Skulptur, Malerei, Video und VR erforschen sie die Bedeutung von Sammeln und Ausstellen im Kontext von Herrschaft sowie die Aufrechterhaltung von kolonialen Beziehungen, und spekulieren über zukünftige Museumsräume, wenn menschliche Überreste und materielle Kultur zurückgegeben worden sind.
MINGLED LIVING FORCES entstand im Rahmen der Tandem-Seminare „Colonial Presents: Artististic and Curatorial Interrogating“ und „Zeichnen Farbe Fläche – Spatial Drawing“ an der weißensee kunsthochschule berlin im Wintersemester 22/23. Kuratorische Entwicklung und Lehre: Juana Awad und Elaine Bonavia
Beitrag auf der Webseite der weißensee kunsthochschule berlin
Einführungstext in die Ausstellung (Stand: August 2023):
Leerstellen.Ausstellen
Objekte aus Tansania und das koloniale Archiv
In dieser Werkstattausstellung möchten wir uns, gemeinsam mit Ihnen, mit historischen Objekten beschäftigen, die aus dem Gebiet des heutigen Tansania stammen und sich im Berliner Ethnologischen Museum befinden. Zusammen mit Dokumenten, Fotografien, Katalogen und vielem mehr bilden sie ein Archiv, das weder vollständig noch objektiv ist. Mit den Lücken im Archiv und dessen kolonialer Prägung setzen wir uns hier auseinander. Dabei können wir etwas über den Widerstand der Menschen gegen die gewaltvolle koloniale Herrschaft im damaligen „Deutsch-Ostafrika“ lernen. Ihnen und den Gesellschaften, denen die Objekte geraubt wurden, gilt unser besonderes Interesse.
Wir zeigen keine sensiblen Originalobjekte, für deren Präsentation uns kein Einverständnis vonseiten der Nachkommen der Urheber*innen, Nutzer*innen, Verwahrer*innen und Eigentümer*innen vorliegt. Die „Leerstellen“ sind in der Ausstellung mit der Farbe Pink versehen. So weisen wir darauf hin, dass das Archiv ebenso wie unsere Perspektiven Lücken aufweist und Grenzen hat – und eröffnen einen Diskussionsraum.
Die kritische Aufarbeitung kolonialer Verbrechen und Machtstrukturen, aber auch der bis heute wirksamen Folgen einer rassistischen Ideologie ist eine Kernaufgabe des Humboldt Forums. In einem Gebäude, das rekonstruierte Fassadenteile des ehemaligen Berliner Schlosses enthält, ist eine rassismuskritische Präsentation der Objekte und ihrer Geschichte ebenso schwierig wie wichtig. Denn das historische Schloss war ein Symbolort der preußischen Monarchie und steht mit Militarismus, Kolonialismus und der Unterdrückung demokratischer Bewegungen in Verbindung.
Zusammen mit Ihnen möchten wir die eurozentrische Perspektive auf diese koloniale Geschichte hinterfragen. Für Leerstellen. Ausstellen haben wir, das kuratorische Team – weiß, Akademikerinnen, Mitarbeiterinnen der Staatlichen Museen zu Berlin und der Stiftung Humboldt Forum – uns von zwei kritischen Expert*innen aus Berlin und Dar es Salaam beraten lassen.
Die Ausstellung versteht sich als work in progress und wird stetig weiterentwickelt. Sie bildet außerdem den Auftakt für eine kooperative Ausstellung, die das Ethnologische Museum Berlin und die Stiftung Humboldt Forum gemeinsam mit dem National Museum of Tanzania realisieren werden. Das Ethnologische Museum arbeitet seit vielen Jahren mit tansanischen Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Expert*innen, insbesondere in der postkolonialen Provenienzforschung.
Kuratorisches Team:
Paola Ivanov, Ulrike Kirsch, Maike Schimanowski, Jocelyne Stahl, Kristin Weber-Sinn
Kritische Berater*innen:
Josephine Apraku, Vicensia Shule