kostenfrei |
Englisch, Portugiesisch, Spanisch |
Foyer, Saal 2, EG |
Teil von: 99 Fragen |
Das „99 Questions Gathering: On the Poetics of Loose Ends“ ist eine achttägige Hybridveranstaltung, die Konferenz- und Ausstellungsformate kombiniert, um Kosmologie, Technologie und vielfältige Wissenssysteme durch Kunst, Workshops und Diskussionen zu erkunden. Die ersten vier Tage konzentrieren sich auf Vorträge und Dialoge, während die letzten vier künstlerische Installationen im Vordergrund stehen und in einer Listening Session für Reflexion und Engagement das Gathering schließt.
Research Nodes „South-to-South“ und „Textiles Semillas“
Im Kern stehen zwei Forschungsschwerpunkte: „South-to-South: A Meeting on African and Afro-Diasporic Technologies“ und „Textiles Semillas: A Living Project of Weaving and Bridge-Building“, die gemeinsam über die letzten zwei Jahre entwickelt wurden. Diese Knotenpunkte formen das polyphone Programm, das indigene, afro- und afrodiasporische Beiträge zu globalen Kosmologien hervorhebt und das Weben als Widerstand sowie Afro- und afrodiasporische Technologien als dekoloniale Alternativen zu westlichen Konzepten von Technologie und Kunst in den Vordergrund stellt. Dieser Ansatz umfasst nicht-extraktive, reziproke Praktiken, die auf gemeinsamen Wissenssystemen und kollektiver Schöpfung basieren.
Das Gathering versteht lose Enden als bewussten Widerstand gegen den musealen Drang, Wissen und Kunst zu kategorisieren und zu hierarchisieren. Anstatt als unvollständig angesehen zu werden, schaffen lose Enden Raum für Potenzial und neue Verbindungen. Diese Offenheit stellt die Starrheit von Wissenssystemen infrage und erkennt an, dass das, was ungelöst bleibt, fortgesetztes Hinterfragen und Wachstum ermöglicht. Die Teilnehmer sind eingeladen, das Pluriversum—mehrfache Realitäten und Arten des Wissens — durch menschliche, maschinelle, planetare und mehr-als-menschliche Intelligenzen zu erforschen, wodurch kollektive Untersuchung, Transformation und neu gestaltete Beziehungen zwischen Kunst, Technologie und Kosmologie gefördert werden.
South-to-South: Ein Austausch zu afrikanischen und afro-diasporischen Technologien untersucht ein mehrschichtiges Verständnis von Technologie, vor allem hinsichtlich landbasierter und über Generationen überlieferter Techniken von afrikanischen und afro-diasporischen Communities, wobei westliche Vorstellungen von fortschrittlichen, high-tech-orientierten Ansätzen, die häufig extraktivistische Praktiken wie die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Daten und Wissen als Ausgangspunkt haben, infrage gestellt werden.
Textiles Semillas: Ein lebendiges Projekt des Webens und Brückenbauens schafft Sichtbarkeit für die wichtige Rolle einer dekolonialen feministischen Praxis, die Kunst, Körper, Natur und Ritual verwebt und binäre Trennungen von Kunst und Folklore, Stadt und Land, Zentrum und Peripherie aushebelt. Textiles Semillas ist ein feministisches Projekt, das über 300 Weberinnen aus Nordargentinien zusammengebracht hat und in dessen Folge sich die Union Textiles Semillas bildete.
Der Titel des Gatherings ist inspiriert von dem Essay „The Tangled Planetary: For a Poetics of Loose Ends“ von Martin Savransky.
Programmübersicht
17:30 bis 19:00 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch (mit spanischer Übersetzung)
Eröffnung: 99 Questions Gathering: on the Poetics of Loose Ends
Begrüßung mit Prof. Dr. Dorgerloh (Generalintendant des Humboldt Forum)
Vorwort zum 99 Questions Gathering von dem Kurator Michael Dieminger
Research-Nodes: Textiles Semillas und South-to-South
Gruppenpräsentation
Mit
Sara Garzón, Patrick Mudekereza, Alejandra Mizrahi, Andrei Fernández, Ramon Martins, Michael Dieminger, Jean Kamba (Moderation)
19:00 bis 19:50 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch (mit Übersetzung ins Spanische)
„Von Kurator*in zu Kirata: Auf dem Weg zu einer Praxis nicht-extraktivistischen Kuratierens“ von Patrick Mudekereza
Vortrag
Ist die Sammlung zeitgenössischer afrikanischer Kunst tugendhafter als das Plündern antiker Kunst aus der vorkolonialen und kolonialen Zeit? Verändert es die Wahrnehmung und Wertschätzung ihrer Werke erheblich, dass afrikanische Künstler nun eine Stimme haben, bei Vernissagen auftreten und im Fernsehen präsent sind? Eine voreilige Bejahung dieser Fragen übersieht die anhaltende Mentalität der Ausbeutung in der Konzeption und Entwicklung öffentlicher und privater Sammlungen in Europa und Nordamerika, die es unmöglich macht, den Begriff Kunst von seiner kolonialen Geschichte zu befreien. In Kinshasa haben Künstler ein eigenes Lexikon entwickelt, das ihren Anspruch widerspiegelt, eine Szene zu schaffen, die sowohl mit ihrer Identität resoniert als auch global ansprechend ist. Das Centre d’art Waza, das sich auf lokale Praktiken konzentriert, hat den Begriff „Kirata“ geprägt, der „Freunde, die dem Künstler bei der Beantragung von Stipendien helfen“ bedeutet. Es handelt sich dabei nicht nur um eine mit Lingala akzentuierte Anpassung des Begriffs „Kurator“, sondern um einen Wandel weg von hierarchischen, eurozentrischen Vorurteilen und die Entwicklung von Strategien zur Navigation in einer neoliberalen Kunstwelt, während die künstlerische Integrität gewahrt bleibt. Diese Präsentation wird einige der praktischen Anwendungen dieses Konzepts erkunden.
Über Patrick Mudekereza
Patrick Mudekereza (geb. 1983) ist Autor, Kurator und Kunsthistoriker. Er lebt und arbeitet er in Lubumbashi (D.R. Kongo) und ist Direktor des Centre d’Art Waza. Er saß im Vorstand und war Mitbegründer mehrerer internationaler Kunstnetzwerke, darunter Arts Collaboratory, Another Roadmap for Arts Education, Liboke, einem Verbund unabhängiger kongolesischer Kulturzentren, sowie der International Biennial Associationund des ARTerial Network. Er war zudem Direktor und beteiligt an der Gründung der ersten drei Ausgaben der Rencontres Picha, der Biennale von Lubumbashi (2008–2015). Er diverse Ausstellungen kuratiert und organisiert, etwa Prise de Terre (Bozar, 2010), Close Openings/Vernissage Fugaces (Lubumbashi, 2011), Mining Lubum (VANSA, Johannesburg, 2015), Silimuka (Museum für Zeitgenössische Kunst GfZK Leipzig, 2017), Aire d’oiseaux imaginaires (Biennale du Congo in Kinshasa, 2019, und Bogardenkapel Brugge, 2019) sowie Kirata (documenta fifteen, Kassel, 2022) organisiert. Er hat an verschiedenen Bildungs- und Publikationsprojekten in Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika teilgenommen (Lagos Biennale, Berlin Biennale, Kooperationen mit Kunsträumen in Kolumbien, Costa Rica, Indonesien, Indien, Deutschland, der Schweiz und weiteren). Aktuell lehrt Patrick Mudekereza an der Fakultät für Architektur der Universität von Lubumbashi.
20:00 bis 21:00 Uhr
Saal 2
Sprachen: Englisch (mit spanischer Übersetzung)
Infrastrukturen für post-extraktivistische Zukünfte
Gesprächsrunde
Diese Gesprächsrunde lädt dazu ein, den Extraktivismus nicht nur als Praxis, sondern als Logik zu verstehen, die die Moderne und ihre Institutionen prägt. Wir möchten untersuchen, wie Museen und Kulturinstitutionen als Orte des „Pluriversums“ neu gedacht werden können – als Räume, in denen viele Welten gleichzeitig existieren und miteinander verbunden sind. Welche Infrastrukturen brauchen wir, um extraktivistische Prinzipien zu überwinden? Welche neuen Dialoge und Finanzierungsformen sind nötig, um lokale Bedürfnisse und Gemeinschaften zu stärken und andere Formen des Seins und Wissens zu ermöglichen?
Mit:
- Ba Taonga Julia Kaunda-Kaseka, Gründerin und Direktorin von Modzi Arts in Lusaka
- Andrei Fernández, freischaffende Kuratorin und interkulturelle Vermittlerin aus dem Norden Argentiniens
- Han Song Hiltmann, Leitung Programm, Stiftung Humboldt Forum, Berlin
- Jean Kamba, Journalist und Kunstkritiker aus Kinshasa (Moderation)
- Patrick Mudekereza, Direktor des Centre d’art Waza in Lubumbashi
- Mônica Hoff, Pivô Art and Research, São Paulo
Ausstellung geöffnet von 10:30–18:30 Uhr
11:00 bis 16:30 Uhr
Saal 2
Sprache: Spanisch (mit deutscher Übersetzung)
Leider ist diese Veranstaltung nun ausgebucht. Sie können sich über [email protected] auf die Warteliste setzen lassen, wir informieren Sie, sollte ein Platz frei werden. Wir laden Sie dazu ein, stattdessen an dem Workshop um 18 Uhr teilzunehmen.
„Contar la tela“: Textilien erzählen Geschichten
Workshop mit Textiles Semillas
Der Workshop „Contar la tela“ von der Unión Textiles Semillas lädt dazu ein, den Geist zu öffnen und den Textilien zuzuhören. Die in Handarbeit hergestellten Stoffe geben Geschichten aus verschiedenen Regionen und Zeiten wider. Jeder Faden ist eine Erzählung, jede Naht eine Landschaft, die wir gemeinsam bereisen werden. Der Workshop ist als Führung durch die Installation „La Crecida“ konzipiert, die Textiles Semillas im Rahmen des 99 Questions Gathering zeigt. Doch er bietet nicht nur die Möglichkeit bei der Entstehung der Installation zuzuschauen, sondern lädt zum Mitmachen ein: An drei interaktive Stationen innerhalb der Installation, die als eigenständige Workshops angelegt sind, können Besuchende mit den Weberinnen an dem Gesamtkunstwerk arbeiten: Wir lernen, wie man ein Randa-Netz aus Nadelspitze herstellt, weben mit Schafwolle und verarbeiten gemeinsam mit Wichí-Weberinnen Pflanzenfasern zu feinen Stoffen.
Der Titel des kollektiv geschaffenen Kunstwerks von Textiles Semillas, „La crecida“ (Spanisch: „Anstieg“ oder „Flutwelle“) verweist auf die stete Weiterentwicklung und Veränderung der Installation. Der Name steht für Bewegung, Wachstum und Metamorphose. „La crecida“ besteht aus Textilien und Stickereien, die von den zwölf Weberinnengruppen der Unión Textiles Semillas geschaffen wurden und die die Erinnerungen verschiedener Gemeinschaften und Völker Nordargentiniens verkörpern. Es ist ein lebendiges Gebilde, das sich verändert und erweitert, während es von Ort zu Ort wandert. Lassen Sie uns zusammen den Stimmen der Weberinnen lauschen und die Geschichten entdecken, die in die Muster unterschiedlicher Textilien eingewoben sind. Gemeinsam wollen wir von ihnen die Webetechniken erlernen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
Der Workshop „Contar la tela“ lädt Sie ein, an dieser Erfahrung teilzuhaben und zur fortlaufenden Entstehung dieses kollektiven Kunstwerks beizutragen. Während des gesamten Workshops wird sich die Installation weiterentwickeln. Neue Verbindungen entstehen, die in einer kleinen Abschlusszeremonie am Montag, dem 28. Oktober, ihren Höhepunkt finden.
Über die Unión Textiles Semillas
Die Unión Textiles Semillas besteht aus zwölf Gruppen von Weberinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen aus verschiedenen Teilen Nordwestargentiniens, die sich mit einer interkulturellen Forschungsgruppe namens „Sembradoras“ (Die Säer*innen) zusammengeschlossen haben. Seit Anfang 2023 bringt Textiles Semillas im Rahmen des Projekts 99 Fragen verschiedene Frauenorganisationen aus ländlichen und indigenen Gemeinschaften zusammen. Die Projektpartnerinnen schaffen kollektive Werke, die das Potential gemeinsamen Handelns, des Teilens von Erinnerungen und vereinter Kämpfe hervorheben. Das Projekt wird von den argentinischen Kuratorinnen/Künstlerinnen Andrei Fernández und Alejandra Mizrahi koordiniert. Die Weberinnen von Textiles Semillas haben ihre gemeinsamen Werke in Amaicha del Valle, Tilcara, Atamisqui und San Miguel de Tucumán vorgestellt und weiterentwickelt, begleitet von Workshops zum Wissensaustausch sowie Textilmärkten.
Im Jahr 2024 war Textiles Semillas Teil der Jornada de Arte Textil im Museum für Lateinamerikanische Kunst in Buenos Aires (MALBA), der Ausstellung „Soñar el agua“ von Cecilia Vicuña sowie der Ausstellungsreihe „Cantando Bajito“ in der Ford Foundation Gallery in New York. Außerdem nahm Textiles Semillas an einer Residenz für Künstler*innenkollektive im Rahmen des Projekts URRA in Buenos Aires teil.
18:00 bis 19:30 Uhr
Saal 2
Sprache: Spanisch (mit deutscher Übersetzung)
Diese Veranstaltung ist auf 20 Teilnehmende begrenzt. Wir bitten um Anmeldung per E-Mail über [email protected]
„Wir kommen zusammen und gemeinsam wachsen wir“
Ein Poetischer Dialog an und zu den Rändern mit Unión Textiles Semillas
Jedes Gewebe trägt die Idee eines Saumes, eines Randes in den Fäden, aus denen es besteht – die Idee einer Linie, die abschließt, schützt, aber auch verbindet. Diese Ränder – die wir als Fransen, Spitzen, Einfassungen oder in anderen Formen kennen – sind die Orte, an denen das Materielle endet und die Möglichkeit einer neuen Erzählung beginnt. In dem Konzept der „telas y tierras“ (Spanisch: „Stoffe und Länder“), das im Zentrum der Arbeit von Unión Textiles Semillas steht, erkennen wir, dass die Ränder keine Grenzen sind, sondern vielmehr Schwellen, die zum Wachsen und zur Transformation einladen.
Der Workshop „Wir kommen zusammen und gemeinsam wachsen wir“ (auf Spanisch: „Crecemos porque nos juntamos“) ist eine Einladung dazu, gemeinsam an diesen Rändern zu arbeiten – mithilfe der Techniken, die uns die Weberinnen an die Hand geben, die Grenzen der von uns gewebten Realitäten zu erweitern und zu verändern. Es ist ein Prozess des gemeinsamen Schaffens und Experimentierens, eine Einladung, mit dem Material und den Geschichten, die es in sich trägt, in Dialog zu treten. Die Weberinnen werden uns durch die verschiedenen Arten der Gestaltung von Rändern führen – als seien diese Ränder neue Wege, neue Erzählungen, die darauf warten, betreten zu werden. Das gewebte Land wächst in den Raum hinein, seine Ränder erheben sich aus Netzstrukturen, Makramee, Häkeleien und Flechtarbeiten und öffnen sich zu neuen Formen des Denkens, der Berührung und der Verbindung.
20:00 bis 21:00 Uhr
Saal 2
Sprache: Französisch (mit englischer Übersetzung)
Territoires Humains III von Joseph K. Kasau Wa Mambwe
Das Museum des menschlichen Sinns
Territoires humains ist ein auf Wiederholung ausgelegtes Performanceprojekt von Joseph K. Kasau Wa Mambwe, das er seit 2022 stetig weiterentwickelt und in dem er sich mit der wachsenden Distanz zwischen den Menschen im technologischen Zeitalter und dem Wunsch nach Verbindung auseinandersetzt. Durch die Schaffung künstlerischer und zwischenmenschlicher Momente zielt das Projekt darauf ab, Räume für der Solidarität und kollektiver Resozialisierung zu entstehen zu lassen.
In der im Humboldt Forum gezeigten Ausgabe mit dem Titel „Das Museum des menschlichen Sinns“ lädt Joseph die Besuchenden dazu ein, sich daran zu erinnern und zu teilen, was sie immer gewesen sind: menschlich. Das Werk ist eine interaktive Performance, die als Zusammenkommen beschrieben werden kann, bei dem gemeinsam neuen Formen taktilen und bewussten Miteinanders imaginiert werden. Der Begriff „Sinn“ im Titel bezieht sich auf zwei unterschiedliche Ebenen des Werks: Zum einen beschreibt er die körperlichen Sinne des Menschen als Instrumente der Wahrnehmung, die wir in diesem Prozess der Re-Humanisierung nutzen, um uns unserer Empfindsamkeit bewusst zu werden und unsere Erfahrung im physischen Raum zu teilen. Auf der anderen Seite bezeichnet „Sinn“ auch Bedeutung – die Bedeutung, die ein Objekt, eine Geste, ein Wort, ein Bild oder der Schnipsel einer Erinnerung, die in geselliger Atmosphäre geteilt wird, zu einem bestimmten Zeitpunkt tragen kann.
Durch eine digitale Collage und einen Monolog, den der Künstler gelegentlich unterbricht, um mit dem Publikum in Austausch zu treten, schafft Joseph K. Kasau Wa Mambwe einen assoziativen Erinnerungsraum, der der uns ermöglicht, der zunehmenden Virtualisierung unseres Zusammenlebens zu entkommen.
Über Joseph K. Kasau Wa Mambwe
Joseph K. Kasau Wa Mambwe (*1995), in Lubumbashi geboren und lebend, hat einen Abschluss in Informations- und Kommunikationswissenschaften von der Universität Lubumbashi und hat sich im Anschluss an sein Studium der Darstellende Kunst gewidmet. Von Theater und Kino bis hin zu Fotografie, Installation und kreativem Schreiben drückt sich in seinem künstlerischen Schaffen von ihm wahrgenommene Dringlichkeit aus, neue Erzählungen in die Welt zu bringen und Begegnungsräume zu schaffen. Seine Arbeiten befassen sich mit der Komplexität von Erinnerung, Gedächtnis und Identität in einem postkolonialen urbanen Kontext. Er erforscht darin zwischenmenschliche Interaktionen, beleuchtet Machtverhältnisse und schlägt alternative Entwürfe für unser Miteinander auf dieser Welt vor.
Seit 2017 arbeitet Joseph K. Kasau als Künstler und Kulturvermittler mit Organisationen in seinem Heimatland Kongo (DR) sowie in anderen Ländern Afrikas, Europas sowie Nord- und Südamerikas zusammen. So war er unter anderem stellvertretender Koordinator und Kommunikationsbeauftragter beim Kidogo Kidogo Filmfestival (2016–2019), Produktionsassistent beim Bya Ma Ngoma Tanzfestival (2018), Redaktionsassistent bei der Lubumbashi Biennale (2019), Produktionsassistent bei Ateliers Picha (2019–2021) sowie Drehbuchautor bei Digital-Label Multimédia (2016–2021). 2020 gründete er das Kollektiv Nidjekonnexion in Lubumbashi, das er bis 2024 leitete. Derzeit arbeitet er als eingeladener Kurator bei Modzi Arts in Lusaka und ist Mitglied des Kollektivs Groupe50:50, bestehend aus einer Gruppe kongolesischer, deutscher und schweizerischer Künstler*innen, das gemeinsam eine Form des postdokumentarischen Musiktheaters entwickelt.
Ausstellung geöffnet von 10:30–18:30 Uhr
11.00 bis 17.00 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch (mit spanischer Übersetzung)
Diese Veranstaltung ist auf 10 Personen begrenzt. Wir bitten um Anmeldung per E-Mail über [email protected]
Starrer Code, weiche Fäden von Diane Cescutti
Mit Ren’py-Software elektrisierende Geschichten weben
Dieser Workshop verbindet eine Einführung in das Weben an einem 4- oder 8-Schäften-Webstuhl mit der Erstellung visueller Romane mit der Software Ren’py unter Verwendung der Leiterplatine ‚Makey-Makey‘. Die Teilnehmenden sind dazu eingeladen, diese besondere Form des Geschichtenwebens unter Anleitung zu erproben. Durch die leitfähigen Materialien werden der Webstuhl und das gewebte Textil zu interaktiven Werkzeugen und Oberflächen, die mit dem ‚Makey-Makey‘-Gerät verbunden sind. Mithilfe der Ren’py-Software (einer kostenlosen Software zur Erstellung visueller Roman-Videospiele) werden die Teilnehmenden außerdem eine kurze interaktive Geschichte zum Webstück programmieren. So entsteht ein Videospiel, das mit einem Webstuhl statt mit einem Controller oder einer Tastatur gespielt wird.
Der Webstuhl wird zu einem Interface, einer Schnittstelle, die es uns erlaubt, durch Berührungen und die haptische Auseinandersetzung mit dem Webgarn eine andere Art von Geschichten zu schreiben –Geschichten, die entstehen, wenn sich mithilfe unserer Hände unsere Imagination im Raum materialisiert.
Über Diane Cescutti
Diane Cescutti, geboren 1998, ist eine französische transmediale Künstlerin. Sie lebt und arbeitet in Saint-Étienne, Frankreich. Cescutti hat Textilwissenschaft und Bildende Kunst und an der École des Beaux-Arts de Nantes in Frankreich, der Tokyo University of the Arts in Japan und der University of Houston in den Vereinigten Staaten studiert. Ihre künstlerische Praxis beginnt am Webstuhl, dem Vorläufer heutiger Computersysteme. Durch das Nachzeichnen der Geschichte der Computerprogrammierung fand sie sich in der Welt des Webens wieder. Sie folgt dem Kreuzungspunkt der Fäden ihres Webstuhls, und gelangt so seiner Essenz, seinem Algorithmus.
Durch einen histofuturistischen, spekulativen und narrativen Ansatz erforscht Cescutti die historischen, technologischen, mathematischen und ästhetischen Verbindungen zwischen Webepraxis, Textilien und Computern. Durch die Verbindung unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksformen wie Weben, Skulptur, Installation, Video und 3D-Animation versucht sie, unser Verständnis von Technologie und Textilien sowie deren Rollen als Träger von Wissen, Daten, Geschichten, Traditionen und Spiritualität neu zu definieren und zu hinterfragen.
2023 erhielt Diane Cescutti den Faku’Gesi Award für digitale Kunst, 2024 folgte der Ars Electronica Preis in der Kategorie Interactive Art+ für ihre interaktive Installation „Nosukaay“.
17:30 bis 18:20 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch
Wie ist es, auf der Welt zu sein?
Mit Oscar Santillán
Oscar Santillán erforscht Konzepte von „dezentralem Denken“ und hinterfragt dabei gängige Vorstellungen von Intelligenz. Inspiriert von Stanislaw Lems „Solaris“ und den kybernetischen Experimenten von Stafford Beer und Gordon Pask betrachtet er die Erde als ein denkendes und mit uns kommunizierendes Wesen. Santilláns Ansatz verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse mit Denkansätzen indigener Kulturen in den Anden. Dort wird Bergen, Tieren und Seen ein Bewusstsein zugesprochen, das unterschiedliche Formen annehmen kann. Diese Bewusstseinszuschreibung folgt dem Konzept der „Earthbeings“, der Erdenwesen. Derzeit beschäftigt sich Santillán in seiner Forschung mit der Frage, ob die Erde denken kann, und untersucht, wie das Magnetfeld des Planeten mit uns auf ihr befindlichen Lebewesen interagiert, etwa anhand von Vögeln, die durch Eisenablagerungen in ihren Schnäbeln über weite Strecken navigieren.
In seinem Vortrag wird Santillán Einblicke in sein Projekt „The Interspecies Virtual Machine“ geben und seine Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen vorstellen. Darin erforscht er, wie verschiedene Intelligenzen – menschliche, tierische und planetarische – miteinander kommunizieren und interagieren. Er lädt uns dazu ein, die Erde nicht nur als Bühne menschlicher Aktivität, sondern als aktive Teilnehmerin in einem Dialog zwischen den Spezien zu betrachten.
Über Oscar Santillán
Oscar Santillán ist Künstler und Gründer des Studios ANTIMUNDO mit Standorten in Amsterdam und Quito. Seine Praxis gründet auf dem Konzept des „Antimundo“, einer kybernetischen Matrix, in der Wissenschaft, Fiktion und nicht-menschliche Perspektiven zusammenfließen. 2011 schloss Santillán seinen MFA in Bildhauerei an der Virginia Commonwealth University (USA). Er war Senior Researcher am Davis Center for Artificial Intelligence (USA), forschte am NIAS (Niederlande) und ist derzeit als Berater bei De Ateliers Amsterdam (Niederlande) tätig. Er nahm an Residenzprogrammen unterschiedlicher Institutionen teil, darunter die Jan van Eyck Academie (Niederlande), Fondazione Ratti (Italien), Delfina Foundation (Großbritannien), dem Astronomischen Observatorium Leiden (Niederlande) und Skowhegan (USA).
Seine Werke wurden in Einzelausstellungen am MUAC (MX), dem Kunstinstituut Melly (NL), Radius CCA (NL), Copperfield (GB) und weiteren gezeigt. Er nahm an mehreren Gruppenausstellungen teil, unter anderem im LACMA (USA), auf der Yokohama Triennale (JP), im NRW Forum Düsseldorf (DE), im SongEun Art Space (KR), dem MacAlline Art Center (CN) und im Irish Museum of Modern Art (IE).
18:30 bis 19:20 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch
Poesie einer emanzipatorischen Kosmotechnik
Mit Paula Gaetano Adi
Künstlerin Paula Gaetano Adi stellt ihren Kurzvideo-Essay „The Robocalyptic Manifesto: Techno-Politics for Liberation“ vor, im Anschluss werden in einem offenen Gespräch mit Kurtorin Sara Garzón Möglichkeiten diskutiert, wie Roboter bei der Rettung und Wiederherstellung unseres Planeten zu Verbündeten werden können. Ausgehend von ihrer eigenen künstlerischen Praxis, im Kontext derer sie auch selbst Roboter baut, unternimmt Gaetano Adi eine ontologische Untersuchung der Technologie. Gaetano Adi schafft so eine neue Erzählung der Beziehung zwischen Robotik, Poetik und Welterschaffung und öffnet einen Spekulationsraum zu Robotik als Praxis des Widerstands. Während des Vortrags und im Gespräch mit dem Publikum und den Projektteilnehmer*innen wird Gaetano Adi die Möglichkeit einer „emanzipatorischen Kosmotechnik“ diskutieren – sowohl als Denkrahmen und Ausgangspunkt, von dem aus wir eine Neubewertung von Technologie und ihrer Nutzung vornehmen können, als auch als Praxis, die die Befreiung von Mensch und Roboter neu beleuchtet
Über Paula Gaetano Adi
Paula Gaetano Adi ist eine in Argentinien geborene interdisziplinäre Künstlerin und Wissenschaftlerin. Sie arbeitet an den Schnittstellen von Robotik, Handwerk und Performance. Ihre Praxis schöpft aus der Forschung um Technowissenschaften, Dekolonialität und künstliches Leben. Sie entwirft Szenarien, die die Macht technologischer Gedankenexperimente und Zukunftsanalysen verdeutlichen, um so den Raum für neue soziale Narrative zu öffnen. Gaetano Adis Arbeiten wurden in Museen, auf Konferenzen und auf Kunstfestivals in Europa, Asien und Amerika ausgestellt, etwa im National Art Museum of China, dem Matadero Madrid, der MejanLabs Gallery Stockholm, SECS São Paulo, der Vancouver National Art Gallery, dem Pera Museum Istanbul, dem Centro Nacional de las Artes Mexiko, der Ars Electronica, Bienalsur, dem Getty Research Institute. Sie wurde mit dem Creative Capital Award ausgezeichnet und war Stipendiatin der National-Stiftung der Künste in Argentinien sowie Fellow am Center for Research in Engineering, Media and Performance an der University of California LA und am Experimental Media and Performing Arts Center des Rensselaer Polytechnic Institute. Derzeit lebt und arbeitet sie zwischen San Juan, Argentinien, und Rhode Island, USA, wo sie als Professorin für Experimental & Foundation Studies an der Rhode Island School of Design (RISD) tätig ist.
19:30 bis 20.30 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch (mit spanischer Übersetzung)
Das Singen der Maschinen: Intelligenzen, Technologien und kosmische Verbindungen
Gesprächsrunde
Im Mittelpunkt dieser abschließenden Gesprächsrunde, moderiert von Sara Garzón, steht die gemeinsame Erkundung der Verflechtungen von künstlerischer Praxis, Technologie und neuen Formen des Wissens. Was passiert, wenn wir Technologie nicht nur als Werkzeug, sondern als Medium für Transformation und Widerstand betrachten? Wie könnten Technologien, Intelligenzen und unsere Beziehung zur Erde und zu Maschinen neu gedacht werden?
Mit
Diane Cescutti, Paula Gaetano Adi, Elisa Balmaceda, Oscar Santillán, and Sara Garzón (Moderation)
Ausstellung geöffnet von 10:30–18:30 Uhr
11:00 bis 11:50 Uhr
Mechanische Arena im Foyer
Sprache: Portugiesisch (mit englischer Übersetzung)
Encruzilhada do Mundo Agora with Vanessa Orewá
Präsentation zur Vorstellungskraft renaturieren, um mögliche Zukünfte zu leben
Die Encruzilhada (portugiesisch: Scheideweg) ist ein Ort der Möglichkeiten. Sie ist ein spiritueller, poetischer, bioethischer und politischer Raum, zugleich ein Ort der Bildung und der Transformation. Im Kontext der afrobrasillanischen Religion des Candomblé ist die Encruzilhada ein heiliger Ort, an dem sich verschiedene Energien und Kräfte begegnen, ein Schnittpunkt zwischen der physischen und spirituellen Welt. Gleichzeitig dient sie der Realität als analytische Referenz, die die Verbindung von Handlungen, Gefühlen, Stimmen, Weisheiten und Körpern des globalen Südens widerspiegelt. Wir möchten kritische Reflexionen über die Welt im Hier und Jetzt und ihre qualitativen Dimensionen im Hinblick auf die Beziehungen zur Umwelt anregen. Die Encruzilhada do Mundo Agora ist ein Mittel, das zur kosmischen Wahrnehmung unserer Daseinsformen auf diesem Planeten beiträgt. Sie schöpft aus Philosophien und Wissenssystemen, die in afrikanischen, afro-diasporischen und indigenen Kosmo-Wahrnehmungen verankert sind, und fördert die Debatte über Formen der Wissensproduktion und -verbreitung, die Umweltungleichheiten aufrechterhalten und bestimmte rassifizierte Gruppen aus den Machtstrukturen ausschließen, was zu Prozessen der Umweltungerechtigkeit führt.
About Vanessa Orewá
Vanessa Orewá ist Doktorandin in Lehre, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte an der Bundesuniversität von Bahia. Sie hat einen Master in Geschichte Afrikas, der Diaspora und indigener Völker von der Bundesuniversität Recôncavo da Bahia, wo sie die bahnbrechende Arbeit zu den Caretas do Mingau entwickelte. Orewá glaubt an das Potenzial von Begegnungen und die Manifestation von Kunst. Sie versteht das Schreiben als eine Möglichkeit des Daseins, als eine Erzählung, durch die eine Art zu existieren geformt wird, und die Collage als einen Weg zur Selbstneukomposition. Orewá gründete das Projekt Apaoká Ciência Preta. Begeistert von der kulturellen Bewegung in der Region Recôncavo in Bahia, förderte sie Projekte zum immateriellen Kulturerbe. Orewá ist außerdem Mitbegründerin des Frauenzentrums Axé Eyin, wo sie als dekoloniale Forscherin tätig ist. In ihrer Lehrpraxis verfolgt sie einen kritischen Ansatz zur Konstruktion und Produktion wissenschaftlichen Wissens.
12:00 bis 12:50 Uhr
Mechanische Arena im Foyer
Sprache: Englisch (mit spanischer Übersetzung)
„El sueño del Telar que durmió por la tarde“ (The dream of the Loom that slept in the afternoon)
Vorstellung des Kunstwerks von biarritzzz
Die brasilianische Künstlerin biarritzzz spricht über ihr Auftragswerk, das im Rahmen des 99 Questions Gathering am Kosmografen im Foyer des Humboldt Forums gezeigt wird.
Artist Statement:
„El sueño del Telar que durmió por la tarde“ (deutsch: Der Traum des Webstuhls, der am Nachmittag schlief) ist ein Gesang, der im Wind widerhallt in Form von Bildern, die sich bewegen, tanzen und atmen, während deine Augen geschlossen sind. Es ist ein Dialog zwischen der Maschine, der natürlichen Landschaft und einem sehr fernen Traum. Wie würde ein traditioneller Webstuhl beschreiben, was er fühlt, wenn er von Generationen über Generationen von Weber*innen benutzt wird, die inmitten von Bergen leben? Wie würde ich selbst diese Bilder übersetzen, die in meinem Kopf von einer Praxis entschlüsselt werden, die sich im Laufe der Zeit verloren hat? Ausgehend von einem Technologieverständnis, das keine Hierarchielinien zieht (denn ein Mikrochip ist ebenso Technologie wie ein Maniok-Sieb, beide sind sie technische Instrumente, die entwickelt wurden, um menschliche Probleme zu lösen), beginne ich mir vorzustellen, welche Geschichte ein Webstuhl, der von den Weberinnen der Unión Textiles Semillas verwendet wird, erzählen könnte. Die Geschichte beginnt am unteren Ende des Kosmografen und windet sich nach oben, wobei jede Schicht ihre Rolle in diesem Kosmos spielt: Zuerst kocht das Feuer im Erdinneren das Leben; dann spülen die schimmernden Wellen der Gewässer an der Erdoberfläche über das Land und kühlen es ab; aus dem Meer erheben sich die Berge, die diesem alltäglichen Tanz Halt geben; am Himmel tanzen Sterne wie leuchtende Körper, sie flackern und fallen in ständigen Schleifen; und schließlich trifft der Himmel auf die Erde mit Feuer und schmilzt alles wieder zusammen.
Über biarritzzz
biarritzzz (geb. 1994 in Fortaleza, lebt und arbeitet in Recife, Brasilien) ist eine anti-disziplinäre Transmedia-Künstlerin, die Sprachen, Codes und Medien untersucht. Sie glaubt, dass Magie und Low-Res-Bilder (Bilder mit niedriger Auflösung) wichtige Gegennarrative zu einer von der schnellen Verbreitung hochauflösender Bilder abhängigen Gesellschaft darstellen, um die aktuelle kosmologische Auseinandersetzung über Realitäten aufzubrechen. Ihre Arbeiten wurden unter anderem im MAM Rio, dem Museum of Tomorrow, der Kunsthall Trondheim, State Of Concept Athens, der Delfina Foundation, Satellite platform (Pivô Arte e Pesquisa), A.I.R Gallery (online), Centro Cultural São Paulo, The Wrong Biennale, FILE und The Shed NY ausgestellt. Sie ist in diversen Sammlungen vertreten, darunter Rhizome Artbase (New Museum), KADIST Foundation und das Instituto Moreira Salles. 2023 und 2024 war biarritzzz für den PIPA Award nominiert.
14:00 bis 14:50 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch (mit spanischer Übersetzung)
Die Jäger sprechen die gleiche Sprache
mit Walla Capelobo
„Die Jäger sprechen die gleiche Sprache“ ist eine spekulative Arbeit über den Fluss von physischem und spirituellem Wissen, der seit Jahrhunderten zwischen die tropischen Wälder Brasiliens mit der Demokratischen Republik Kongo verbindet. Beide Orte kämpfen mit den Herausforderungen des Bergbaus und seiner zerstörerischen Folgen für Mensch und Umwelt. Das Werk konzentriert sich auf die Frage, wie wir nicht-domestizierte/indigene Pflanzen zurückgewinnen und anbauen können. In einem kosmologische Spekulationsraum werden Technologien, die über Generationen genutzt wurden, wieder zum Leben erweckt, um mit ihrer Hilfe die bedrohten Wälder am Leben zu halten. Die Arbeit ist grundlegend inspiriert von den Werken der Philosophen Fu Kiau (Demokratische Republik Kongo) und Nego Bispo (Brasilien).
Über Walla Capelobo
Walla Capelobo ist ein dunkler Wald und fruchtbarer Schlamm. Sie hat einen Master in zeitgenössischer Kunst von der Universidade Federal Fluminense, Rio de Janeiro, Brasilien. Ihre Arbeit als Künstlerin zeichnet sich durch die Beschäftigung mit Zeit sowie dem Fluss von physischer und spiritueller Energie aus, die die Erde durch die Translokation von Mineralien als Folge des technologischen Zeitalters aber auch als Resultet ihrer ständigen eigenen Regeneration umgibt. Capelobos Praxis befasst sich mit den sensiblen Fragen ihrer Existenz. Hierfür beschäftigt sich die Künstlerin mit afro-indigenen südamerikanischen Technologien, imaginativen Ökologien und einem dekolonisierenden Naturverständnis. Capelobo hat an diversen Residenzprogrammen teilgenommen, darunter das „AI Anarchies“-Projekt der Jungen Akademie an der Akademie der Künste Berlin (Deutschland), LabVerde (Amazonas, Brasilien), Matéria Abierta (Mexiko-Stadt, Mexiko), CACis (Barcelona, Spanien), Pivô Arte e Pesquisa (São Paulo, Brasilien) und dem Institute for Postnature Studies (Madrid, Spanien) teilgenommen.
15:00 bis 15:50 Uhr
Saal 2
Sprache: Spanisch (mit englischer Übersetzung)
Zwischen Stoff und Sternen: Fäden, die Welten verbinden
Podiumsdiskussion
Auf dieser Podiumsdiskussion werden die Weberinnen, Sembradoras (Säerinnen) und Kuratorinnen der Unión Textiles Semillas die Installation „La Crecida“ vorstellen und darüber diskutieren, wie das Weben als eine Form des Widerstands in der Verteidigung von Territorien und Erinnerungen sowie als Praxis zur Schaffung und Verbindung von Welten dienen kann. Die Teilnehmerinnen untersuchen, wie diese Praktiken alternative Formen von Wissen und Leben jenseits der binären Unterscheidung von Kunst und Handwerk sichtbar machen. Gemeinsam wollen verstehen, wie Textiles Semillas die kolonialen Hierarchien und die Definitionsmacht über Kunst herausfordert, indem kollektive und transformative Prozesse gefördert werden, die transkulturelles Wissen und pluriverse Praktiken in den Mittelpunkt stellen.
Mit
Ángela Balderrama, Celeste Valero, Claudia Alarcón, Melania Pereyra, Tatiana Belmonte, Milagro Alvarez Colodrero, Fernanda Villagra Serra, Carla Abilés, Mercedes Cardozo, Mónica Chavez, Petrona Luere, Silvina Herrera, Catalina Guitian, Alina Bardavid, Andrei Fernández, Alejandra Mizrahi und Michael Dieminger (Moderation)
16:00 bis 16:50 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch (mit spanischer Übersetzung)
Eine Poetik der losen Enden: Spekulative Infrastrukturen für die planetare Gegenwart
Eine Präsentation von Martin Savransky
In diesem abschließenden Vortrag wird Martin Savransky über die fortlaufende und unvollendete Offenheit von „99 Questions“ reflektieren – und über die wilde Fülle an losen Enden, die es hervorbringt – als eine spekulative Infrastruktur, die eine planetare Gegenwart liest, die sich der Totalität widersetzt und der Endgültigkeit entzieht.
Über Martin Savransky
Martin Savransky ist Reader in Social and Environmental Thought an der University of Bath. Als Philosoph und Sozialtheoretiker ist Prof. Savransky Autor von „Around the Day in Eighty Worlds: Politics of the Pluriverse“ (Duke University Press, 2021) und „The Adventure of Relevance: An Ethics of Social Inquiry“ (Palgrave Macmillan, 2016, mit einem Vorwort von Isabelle Stengers). Er ist Mitherausgeber von After Progress (Sage, 2022), Speculative Research: The Lure of Possible Futures (Routledge, 2017) und Mitkurator von After Progress: A Digital Exhibition in Collaborative Storytelling (after-progress.com).
17:00 bis 18:00 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch (mit spanischer Übersetzung)
Das unendliche Gewebe: Die Kunst des ewigen Werdens
Gesprächsrunde
Die letzte Gesprächsrunde, im Anschluss an die Präsentation von Martin Savranski, der in seinem Essay „The Tangled Planetary: For a Poetics of Loose Ends“ die Idee der offenen Verbindungen und unvollständigen Geschichten untersucht, lädt dazu ein, das Konzept der losen Enden weiter auszudehnen. Diese Gesprächsrunde ist nicht nur ein Abschluss, der die Fäden der einzelnen Programmpunkte aufgreift, sondern ein Raum für das Fortwirken dessen, was durch die verschiedenen Beiträge des 99 Questions Gathering und des Tages bereits angestoßen wurde. Die losen Enden symbolisieren keine Unordnung oder Unvollkommenheit, sondern das Potential für kontinuierliche Transformation und neue Verbindungen, die nicht durch das Bedürfnis nach einem Abschluss beschnitten werden. Im Kontext der Gesprächsrunde soll das Ende des Gatherings nicht als Schlussakt verstanden werden, sondern als Einladung, die losen Enden anzunehmen – als Orte des Möglichen, des Werdens, der ständigen Verknüpfung. Gemeinsam verweben wir Geschichten, Erinnerungen und Gedankenspiele, die uns in ihrer Unabgeschlossenheit in neue Räume der Imagination führen.
Mit
Ana Roman, biarritzzz, Martin Savransky, Union Textiles Semillas, Walla Capelobo, Michael Dieminger, and Jean Kamba (Moderation)
Humboldt Forum geschlossen.
Ausstellung geöffnet von 10:30–18:30 Uhr
15:00 bis 16:00 Uhr
Saal 2
Sprache: Spanisch
Führung durch die Ausstellung mit Mitgliedern der Unión Textiles Semillas und Kurator Michael Dieminger.
Ausstellung geöffnet von 10:30–18:30 Uhr
15:00 bis 16:00 Uhr
Saal 2
Sprache: Deutsch
Kuratorenführung mit Michael Dieminger.
Ausstellung geöffnet von 10:30–18:30 Uhr
15:00 bis 16:00 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch
Kuratorenführung mit der Künstlerin Sarah Ndele und Kurator Michael Dieminger.
Ausstellung geöffnet von 10:30–18:30 Uhr
16:00 bis 16:50 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch
Verflochten mit Modzi Arts!
Ulemu konzeptualisieren mit Ba Taonga Julia Kaunda-Kaseka
Ba Taonga Julia Kaunda-Kaseka ist die Gründerin von Modzi Arts und eine multidisziplinäre Kuratorin. Ihr Ansatz ist tief in der sambischen Philosophie des Ulemu verwurzelt, Respekt und Wertschätzung zu teilen. Sie interessiert sich für die Gestaltung von Räumen, in denen Lernen, Arbeiten und Leben im künstlerischen Umfeld stattfinden können, sodass Künstler*innen und ein Kunstpublikum zusammenkommen und neue Wege finden, um sich mit historischen Objekten und Klängen im zeitgenössischen Kontext auseinanderzusetzen.
Ba Taonga sammelt und kuratiert Wissen, das sich speziell der sambischen Kunst und Musik, insbesondere dem Zamrock, widmet, um ein verlorenes Erbe wiederzugewinnen. Im Rahmen der Arbeit von Modzi Arts beschäftigt sie sich primär mit zwei wichtigen Archiven, um Kunst vor dem Vergessenwerden zu bewahren: dem Henry-Tayali-Archiv und dem Zamrock-Museum. Im Gespräch lädt sie die Besucher*innen dazu ein, über die Herangehensweise aktueller afrikanischer Museen und ihre Funktion in der heutigen Zeit nachzudenken. Ba Taonga Julia Kaunda-Kaseka stellt Fragen nach den Bezugspunkten, die Menschen zusammenbringen, zu den Gemeinschaften, die sich rund um Kunst und Kultur bilden, und der Rolle von Künstler*innen in der sambischen Gesellschaft. Ba Taonga erkundet Formen des Zusammenkommens und deren Gestaltungsprozesse in Lusaka und entwickelt sogenannte „celebration portals“, Installationen, die als Portale oder Schwellen dienen, um Räume für unterschiedliche Gespräche über Kunst und Kultur zu öffnen. Im Rahmen des 99 Questions Gathering möchte sie einen Raum schaffen, um die alten Klänge Sambias, die im Humboldt Forum aufbewahrt werden, zu erforschen und Wege zu finden, diese Klänge mit jenen im Zamrock-Museum zu verbinden.
Über Ba Taonga Julia Kaunda-Kaseka
Ba Taonga Julia Kaunda-Kaseka ist eine multidisziplinäre Kuratorin, Mentorin und Gestalterin sozialer Räume. Sie lebt in Lusaka, Sambia. Ihre Arbeit umfasst die Produktion von Konzerten und Ausstellungen, das Kuratieren von Ausstellungen, Lehre sowie Advocacy innerhalb Sambias und in der Region. Als Gründerin von Modzi Arts hat sie mit einer Reihe an bedeutenden Kultureinrichtungen in Süd- und Westafrika zusammengearbeitet. Mit Modzi Arts setzt sie sich für die Wertschätzung von Kunst ein und fördert ein kulturelles Verständnis, das auf der sambischen Philosophie von Ulemu basiert: Respekt und Wertschätzung. Die von ihr geschaffenen Räume bringen Künstler*innen und Publikum zusammen, um neue, alternative Wege zu finden, historische Objekte und Traditionen mit und durch zeitgenössische Kunst zu erleben.
17:00 bis 18:00 Uhr
Saal 2
Sprache: Englisch/Spanisch
Sich kreuzende Echos
Sonic Intervention mit Edna Martinez und Miguel Buenrostro
Crossing Echoes untersucht den diasporischen Horizont des Klangs, indem Affinitäten, Echos und Resonanzen von Klangpraktiken zusammengeführt werden, die durch den transatlantischen Austausch geprägt sind. Die Künstler Miguel Buenrostro und Edna Martinez nähern sich diesen Verbindungen durch ihre künstlerische Forschung an, mit einem besonderen Fokus auf die Klangwelten, die die Demokratische Republik Kongo, die Karibik und andere Gebiete in den Amerikas miteinander verknüpfen. Während ihrer jüngsten Reisen nach Kinshasa nahmen Buenrostro und Martinez an einem künstlerischen Austausch teil, der das Erbe der kongolesischen Gitarre an der kolumbianischen Karibikküste hervorhob. Als Erweiterung von Buenrostros Installation „Conocimiento – habilidad – espíritu“, die während des 99 Questions Gatherings zu sehen sein wird, zielt diese Session darauf ab, die sich entwickelnde Landschaft der Saiteninstrumente, rhythmischen Verbindungen und geteilten Geschichten weiter zu erforschen, die über den Atlantik hinweg widerhallen.
über Miguel Buenrostro und Edna Martinez
Miguel Buenrostro, geboren 1984 in Tijuana, ist Künstler und Filmemacher. Er lebt und arbeitet in Berlin. Seine Arbeit untersucht die Schnittpunkte von Kunst und Ort, wobei es ihm vor allem um Fragen von Dimensionen von Klang geht. Buenrostro versteht Grenzbereiche als Orte der Wissensproduktion und der interkulturellen Verbindungen. Er arbeitet mit unterschiedlichen Medien, darunter Film und Klanginterventionen im öffentlichen Raum. Seine Werke wurden auf der Biennale Architettura di Venezia (2016), im Bauhaus Museum (2018), im Musée National de la RD Congo (2021), in der Konsthall C in Stockholm (2022) und im Museo Casa Lago CDMX (2024) präsentiert. Seine Filme liefen auf verschiedenen internationalen Filmfestivals, in Ausstellungen und öffentlichen Vorführungen.
Edna Martinez ist eine karibisch-kolumbianische Künstlerin, deren umfangreiche DJ-Sets die Grenzen der Kuration sprengen: Sie sind geprägt von einer kunstvollen Mischung aus afrikanischen, karibischen und arabischen Genres. Martinez moderiert Musiksendungen auf NTS, Radio Alhara und Worldwide FM und engagiert sich kontinuierlich in der globalen Musik- und Soundlandschaft. Die Kuratorin und DJ betrachtet Klang als integralen Bestandteil ihrer visuellen Arbeit, wobei sich ihre künstlerische Praxis auf Fragen der Restitution und der klanglichen Grenzen konzentriert.
Künstlerische Installationen und neue Kunstwerke
Digitale Collagen, 2024, beauftragt von der Stiftung Humboldt Forum für das 99 Questions Gathering. (2024)
„El sueño del Telar que durmió por la tarde“ (deutsch: Der Traum des Webstuhls, der am Nachmittag schlief) ist ein Gesang, der im Wind widerhallt in Form von Bildern, die sich bewegen, tanzen und atmen, während die Augen geschlossen sind. Es ist ein Dialog zwischen der Maschine, der natürlichen Landschaft und einem sehr fernen Traum. Wie würde ein traditioneller Webstuhl beschreiben, was er fühlt, wenn er von Generationen über Generationen von Weber*innen benutzt wird, die inmitten von Bergen leben? Wie würde ich selbst diese Bilder übersetzen, die in meiner eigenen Vorstellung entschlüsselt werden, von einer Praxis, die sich im Laufe der Zeit verloren hat? Ausgehend von dem Punkt, an dem ich keine Hierarchien zwischen Technologien anerkenne (so wie der Mikrochip ebenso technologisch ist wie ein Maniok-Sieb, da beide technische Instrumente sind, die entwickelt wurden, um menschliche Probleme zu lösen), beginne ich mir vorzustellen, welche Geschichte ein Webstuhl, der Union Textiles Semillas verwendet wird, erzählen könnte. Diese Geschichte beginnt am unteren Ende des Kosmografen und windet sich nach oben, wobei jede Schicht ihre Rolle in diesem Kosmos spielt: Zuerst kocht das Feuer im Erdinneren das Leben, dann erfrischen die Oberflächengewässer das Land mit ihren durchscheinenden Bewegungen; aus dem Meer erheben sich die Berge, die diesem alltäglichen Tanz einen monumentalen Ort geben; am Himmel finden sich leuchtende Körper und Sterne, die flackern und in einer ständigen Schleife fallen; und schließlich trifft der Himmel auf die Erde mit Feuer und schmilzt alles wieder zusammen.
biarritzzz
biarritzzz (1994, Fortaleza, lebt und arbeitet in Recife, Brasilien) ist eine anti-disziplinäre Transmedia-Künstlerin, die Sprachen, Codes und Medien untersucht. Sie glaubt, dass Magie und niedrige Auflösung wichtige Gegen-Narrative darstellen, um die aktuelle kosmologische Auseinandersetzung über Realitäten zu leben. Ihre Arbeiten wurden unter anderem im MAM Rio, Museum of Tomorrow, Kunsthall Trondheim, State Of Concept Athens, Delfina Foundation, Satellite platform (Pivô Arte e Pesquisa), A.I.R Gallery (online), Centro Cultural São Paulo, The Wrong Biennale, FILE und The Shed NY ausgestellt. Ihre Werke sind Teil der Sammlungen der Rhizome Artbase (New Museum), der KADIST Foundation und des Instituto Moreira Salles. Sie war 2023 und 2024 für den PIPA Award nominiert.
Dzata: The Institute of Technological Consciousness
HD-Video, 8 Minuten 24 Sekunden. (2023)
Dzata: Repository of Thought
Audio-Essay (mp3), 41 Minuten 56 Sekunden. Im Auftrag der Stiftung Humboldt Forum für das 99 Questions Gathering entstandenes Kunstwerk. (2024)
Dzata: The Institute of Technological Consciousness ist ein kreatives Forschungsprojekt der südafrikanischen Künstler*innen Russel Hlongwane, Francois Knoetze und Amy Louise Wilson. Gemeinsam haben sie ein fiktives Institut mitsamt Archiv geschaffen, anhand dessen sie in Gedankenspielen technologische Praktiken entwerfen, die über den gesamten afrikanischen Kontinent hinweg Anwendung finden könnten.
Das Video, das als intertextueller Dialog zwischen Dokumetarfilm und Poesiestück angelegt ist, fungiert als in sich geschlossene Assemblage, die die Arbeit und Forschung jenes fiktiven Instituts dokumentiert. Der Audio-Essay mit dem Titel „Repository of Thought“ gibt dem Projekt einen Rahmen und erweitert es um weitere Momente der Kontemplation, indem auf einzelne im Film angeschnittene Gedanken weiter eingegangen wird.
Das zweiteilige Werk stützt sich auf die wissenschaftliche Arbeit des Projektmentors Prof. Clapperton Chakanetsa Mavhunga, indem es indigenes technologisches Wissen in den Fokus stellt und untersucht, wie Wissenschaft, Technologie und Innovation im Zentrum eines langwierigen verworrenen Prozesses der Wissensakkumulation stehen, der weit in die Vergangenheit zurückreicht.
Das Projekt baut auf dem Feld der technopolitischen Forschung auf. Es entwickelt eine vielschichtige Zukunftsrezählung über technologische Kreativität. Triumphe und Misserfolge des Alltags werden in einen technowissenschaftlichen Kontext eingebettet, der die technologische Entwicklung auf dem Kontinent historisch als Folge von Prozesssen einordnet, die von Afrikaner*innen geprägt wurden.
„Dzata: The Institute of Technological Consciousness“ (2023) wurde mit dem Creative Media Award 2023 der Mozilla Foundation ausgezeichnet und durch den Mozilla Foundation Alumni Connection Grant unterstützt.
Die Arbeit gewann oder war nominiert für die folgenden Preise:
- STARTS Prize Africa Award of Distinction 2024
- Priz Electronica Ehrenerwähnung – Kategorie Neue Animation 2023
- Lumen Prize für Kunst und Technologie – Global Majority Award 2023
- Nominierung für den Moving Image Art Prize – Rencontres Internationales Paris/Berlin 2023
Lo-Def Film Factory
Die Lo-Def Film Factory aus Südafrika verbindet Archivrecherche, Dramaturgie und visuellen Strategien mit Videokunst, Collage, skulpturalen Installationen und neuen Medien, um Raum für kollaborative und experimentelle Community-Erzählungen zu schaffen. Die Lo-Def Film Factory wurde von dem Künstler*innenduo Francois Knoetze und Amy Louise Wilson gegründet. Sie begann als mobiler Amateur-Filmworkshop, der experimentelle Videos von und für unterrepräsentierte Communities produzierte und zeigte. Seitdem umfasst die Praxis des Duos sowohl formale Elemente wie Installationen und Videos als auch theoretische Ansätze wie Workshops. Sie konzentrieren sich besonders darauf, junge Menschen in partizipative Forschungs- und Schaffensprojekte einzubeziehen, oft mit gefundenen oder entsorgten Materialien, um die Verbindung zwischen Rohstoffen und sozialen sowie geopolitischen Fragen zu erforschen. Das Duo nutzt performative und partizipative Forschungsansätze, die Elemente der Performance-Kunst und neuer Medien integrieren und arbeitet in einer Selbstmach-Praxis, die Co-Kreation betont und Fehler zulässt.
Russel Hlongwane
Russel Hlongwane arbeitet in der Produktion und Zusammenstellung von Kultur. Sein Interessensgebiet umfasst das Erbe, die Tradition und die Moderne in Südafrika. Er bewegt sich zwischen Kunstschaffen (Installation und Film) und Kuratieren. Seine Performance-Arbeit dient als Brücke, um sein akademisches Interesse einem breiteren Publikum zu vermitteln, während seine Schreibpraxis zwischen Wissenschaft, Politik und Kunstzeitschriften angesiedelt ist. Er ist Autor des begutachteten Artikels „Transcendental Technologies, Mother Tongues and Space“ (2022). Er arbeitet gezielt mit Sprache (isiZulu), um Ideen aus unterdrückten Geschichten zu mobilisieren. Sein Werk „Ifu Elimnyama“ (Die Dunkle Wolke) wurde in sechs Ausstellungen gezeigt und gewann den Sharjah Film Platform Jury Award. Er kuratierte das in Bristol ansässige Cntrl Shift Network Festival, das filmische Werke aus dem globalen Süden präsentierte, die sich mit der Beziehung zwischen Technologie und dem Kontinent auseinandersetzen. Kürzlich schloss er einen Master of Philosophy am African Centre for Cities ab.
Mit „Inside the Verbeek-Mwewa Collection“ präsentiert Elsa M’Bala ihre künstlerische Forschung zu einem umfassenden Archiv, das die künstlerischen Ausdrucksformen der Arbeiter*innenklasse aus Lubumbashi über die letzten fünf Jahrzehnte dokumentiert. Die Sammlung, der sie sich widmet, umfasst 9.596 Objekte, 3.974 Stunden Tonaufnahmen und 81.600 Dokumente, die tiefe Einblicke in die persönlichen Geschichten der beteiligten Künstler*innen gewähren. M’Bala hat zwei Playlists entwickelt: Die erste enthält ein Interview mit Sylvester Chapala, der die Entstehung der Sammlung und seine Zusammenarbeit mit Priester Verbeek in den späten 1990er Jahren beschreibt. Die zweite Playlist umfasst über 30 historische Aufnahmen, darunter Jägergesänge, Geburtstänze und rituelle Zeremonien, die zwischen 1980 und 2000 aufgezeichnet wurden. Diese Aufnahmen spiegeln die gesellschaftlichen Dynamiken der Arbeiter*innenklasse in Lubumbashi wider. Da die Aufnahmen im Royal Museum for Central Africa in Belgien aufbewahrt werden, sind sie vor Ort in Lubumbashi nur schwer zugänglich. M’Bala setzt sich mit ihrer Arbeit dafür ein, diese Archive zugänglicher zu machen.
Elsa M’bala
Elsa M’bala lebt und arbeitet zwischen Deutschland und Kamerun. In ihren Arbeiten geht es M’bala um ein völliges Eintauchen in elektronische Klänge und die rhythmischen Strukturen der Ekang/Bikutsi-Rhythmen des Beti-Volkes aus Zentralafrika, um uns wieder mit dem Mythischen, Spirituellen und Imaginären zu verbinden. In ihrer aktuellen Arbeit verwendet sie Stimmen und Online-Samples in Form von Transcoding, Code-Switching und algorithmischen Mustern, um ein feines Gewebe des elektronischen Griotage zu erschaffen, das von der Vergangenheit in die Zukunft reicht. Dabei mischt sie analoge und digitale Klangmaschinen sowie elektronische und akustische Instrumente, um mit Reden, Ritualen und Poesie zu experimentieren.
Elsa M’balas Werk „Addis’63“ ist eine Klangperformance, die die Komplexität und Dualität des Lebens erforscht, stets hin- und hergerissen zwischen dem Bestreben, die innere mit der äußeren Welt in Einklang zu bringen, und der spirituellen Suche nach Identität. Sie nutzt das vollständige Eintauchen in elektronische Klänge und die rhythmischen Strukturen der Ekang/Bikutsi-Rhythmen des Beti-Volkes aus Zentralafrika, um uns wieder mit dem Mythischen, Spirituellen und Imaginären zu verbinden. Wie der Philosoph Mudibe sagte: „Afrika ist eine Erfindung, und daher müssen sich Afrikaner*innen (neu) erfinden.“
Installation. Diaprojektor gesteuert von einem Mikrocomputer, 80 analoge Dias (35mm) und Stereo-Audio. (2022)
Aufbauend auf dem Konzept der Verknüpfung technologischer Vergangenheiten und Zukünfte, nutzte Santillán einen Mikrocomputer, um einen alten Diaprojektor zu hacken. Dies ermöglichte ihm, die Dauer jeder Folie zu steuern und sie mit einem speziell für das Werk geschaffenen Soundtrack zu synchronisieren.
„The Andean Information Age“ (auf deutsch: das Andine Informationszeitalter) verwandelt sich in ein beinahe filmisches Werk. Ergänzend dazu wurden die Bilder auf den analogen Dias mit 3D-Software produziert. Diese Bilder, durchdrungen von einer Sci-Fi-Energie, sind inspiriert von einem weiteren andinen Konzept: den animistischen Entitäten, den sogenannten „Huacas“, die heilig sind und in unzähligen Formen existieren können, von Bergen bis hin zu handgefertigten Miniaturen.
Das Ergebnis ist eine große vertikale Projektion, bestehend aus einer Abfolge von 80 Dias, synchronisiert mit einem 28-minütigen Audiostück.
Oscar Santillán
Oscar Santillán ist Künstler und Gründer des Studios ANTIMUNDO mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) und Quito (Ecuador) befindet. Seine Praxis entspringt dem Konzept des ‚Antimundo‘, einer kybernetischen Matrix, in der Wissenschaft, Fiktion und nicht-menschliche Perspektiven aufeinandertreffen.
2011 schloss Santillán mit einem MFA sein Studium der Bildhauerei an der Virginia Commonwealth University (USA) ab. Im Anschluss war er als Senior Researcher am Davis Center for AI (USA), forschte am NIAS (Niederlande) und ist derzeit Berater bei De Ateliers in Amsterdam (Niederlande). Oscar Santillán nahm an Residenzprogrammen unterschiedlicher Institutionen teil, darunter die Jan van Eyck Academy (Niederlande), Fondazione Ratti (Italien), Delfina Foundation (Großbritannien), das Astronomische Observatorium in Leiden (Niederlande) und Skowhegan (USA).
Seine Arbeit wurde in Einzelausstellungen am MUAC (Mexiko), am Kunstinstituut Melly (Niederlande), dem Radius CCA (Niederlande) und Copperfield (Großbritannien) sowie in Gruppenausstellungen von ihm fanden unter anderem in Institutionen wie dem LACMA (USA), der Yokohama Triennale (JP), dem NRW-Forum Düsseldorf (DE), dem SongEun Art Space (KR), dem MacAlline Art Center (CN) und dem Irish Museum of Modern Art (IE) statt.
2-Kanal-Installation, Gitarren und Klanglandschaft. (2024)
Die diasporische Bedingung von Musikinstrumenten, ihren Traditionen und Klängen impliziert eine Form der relationalen Produktion, die mit Wissen und Materialitäten aus verschiedenen Orten verbunden ist, vereint in einer Handlung und einem Objekt. Die Gitarren aus Paracho, einer Gemeinde im Purépecha-Hochland des Bundesstaates Michoacán mit einer starken Tradition der Gitarrenbaukunst, werden von einigen migrierten Musikern aus Mexiko und Lateinamerika referenziert. In Paracho wurde ein handwerkliches und serielles Produktionssystem für verschiedene Arten von Gitarren und Saiteninstrumenten entwickelt.
In „Conocimiento – Habilidad – Espíritu“ (deutsch: Wissen – Fertigkeit – Geist) bringt Miguel Buenrostro, in Zusammenarbeit mit Agustin & Enrique Enríquez, verschiedene Arten von Saiteninstrumenten sowie visuelle Übungen zusammen, die auf die Gitarrenwerkstätten der Gebrüder Enríquez verweisen, einer Familie, die sich dem Gitarrenbau widmet und deren Produktionsstätte sich in Paracho befindet, während ihr Vertriebsort der Markt La Ciudadela in Mexiko-Stadt ist.
In einer Geste, die die Geschichte der Werkstatt als Akt der klanglichen Interpretation und Verstärkung von Produktionsbeziehungen artikuliert, werden die aufgezeichneten Klänge der Instrumentenproduktion hörbar: Tätigkeiten wie Schaben, Schneiden, Schnitzen, Feilen und Schlagen, die ein Wissensarchiv und eine Sammlung normalerweise verborgener Klänge eröffnen. Die Klanglandschaft der Produktion und die Musik, die der Gitarrenbauer selbst während der Arbeit hört, überschneiden sich mit den Klängen der Gitarren und zeichnen so das praktische Wissen auf, das in die Herstellung einfließt.
„Conocimiento – Habilidad – Espíritu“ war Teil der Einzelausstellung von Miguel Buenrostro „Saber a Qué Suena“, die im Casa del Lago Museum in Mexiko-Stadt gezeigt wurde, kuratiert von Julio García Murillo. Mit der Unterstützung von 99 Questions im Humboldt Forum.
Miguel Buenrostro
Miguel Buenrostro (1984) ist ein in Tijuana geborener Künstler und Filmemacher, der in Berlin lebt. Seine Arbeit erforscht die Schnittstellen von Kunst und Territorium, mit einem besonderen Schwerpunkt auf die akustischen Dimensionen und die Grenzregion als Ort der Wissensproduktion und der Vernetzung. Seine Medien umfassen Kino und klangliche Interventionen im öffentlichen Raum. Buenrostro hat seine Arbeiten unter anderem auf der Biennale Architettura di Venezia (2016), im Bauhaus-Museum (2018), im Musée National de la Rd Congo (2021), in der Konsthall C, Stockholm (2022) und im Museo Casa Lago, CDMX (2024) präsentiert. Seine Filme wurden auf verschiedenen internationalen Filmfestivals, Ausstellungen und öffentlichen Vorführungen gezeigt. Miguel ist Mitbegründer von „Nuevo Norte“, einem Workshop in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen, der die Politik von Migration, Grenzen und neoliberalen Agenden in den Amerikas untersucht.
Holzstruktur, bestehend aus Rahmen, auf denen die von den zwölf Webgruppen der Unión Textiles Semillas gefertigten Textilien gespannt werden. Textilien aus Lama-Fasern, Schafwolle, Chaguar, Baumwolle und Industriegarnen. Die Garne sind mit natürlichen Farbstoffen gefärbt: Rhabarber, Johannisbrotbaumsaft, Walnuss, Eukalyptus, Yerba Mate, Zwiebel, Chinchilla, Cochenille, Rote Bete, Jarilla, Kräuter und künstlichen Farbstoffen. Die verwendeten Techniken umfassen Strickstoffe, Bodenwebstühle, Rückengurtwebstühle, Rahmenwebstühle, Nadelspitzen, Flechten und Stickereien. Textil-Videoinstallation. Audiovisuelles Triptychon im vertikalen Format, Mixed Media: Dokumentaraufnahmen und digitale Animation. Auflösung: 1080×1920 px (Full HD). Jahr 2024. Beauftragt von der Stiftung Humboldt Forum für das 99 Questions Gathering. (2024)
Eine Sammlung von Textilwerken, die von den einzelnen Gruppen der Unión Textiles Semillas im Norden Argentiniens gefertigt wurden. Jedes Werk ist ein Zeugnis der Identität und der textilen Tradition verschiedener Gemeinschaften und Völker. Im Jahr 2023 fanden zwei Treffen mit Vertretern der zwölf Gruppen statt, die eingeladen waren, am Projekt Textiles Semillas teilzunehmen. Während jedes Treffens wurden Ausstellungen einer Sammlung von Textilien gezeigt, die beim ersten Kontakt mit den Gruppen gesammelt wurden und auf freistehenden Strukturen präsentiert wurden. Der Architekt Paulo Vera entwarf in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Alejandra Mizrahi eine Holzstruktur, um die Textilien zu halten, zu spannen und auszustellen. Die Formen dieser Struktur replizieren die Silhouetten eines Bergpanoramas und den Rahmen, der üblicherweise zur Herstellung einiger der Gewebe verwendet wird, eine Struktur, die normalerweise nicht sichtbar ist, da sie die Grundlage und der Entstehungsort des Gewebes ist. Somit ist es ein Ort des Übergangs. Die Strukturen bleiben sichtbar, um die Textilien zu manipulieren, und werden hier gezeigt, um die Bedeutung der Herkunft und der Entstehung der Formen zu verdeutlichen. Die Textilien wurden speziell für diese Ausstellung von den zwölf Webgruppen im Jahr 2024 angefertigt. Die Textilien auf der Struktur koexistieren mit audiovisuellen Stücken, die von Alina Bardavid erstellt wurden und auf Aufnahmen basieren, die während der Reisen zu jeder der Webergemeinschaften gemacht wurden, die ihr Wissen und ihr Erbe in diesem wachsenden Werk präsentieren.
Künstlerinnen und Weberinnen: Achalay Tejidos (Niogasta, Simoca, Tucumán), Cooperativa La Pachamama (Amaicha del Valle, Tucumán), Flor en Piedra (Caspalá, Jujuy), Flor de Altea (Santa Ana, Jujuy), Randeras de El Cercado (Monteros, Tucumán), Silät (Santa Victoria Este, Salta), Tejedoras de Quilmes (Quilmes, Tucumán), Tejedores Andinos (Huacalera, Jujuy), Teleras de Atamisqui (Atamisqui, Santiago del Estero), Teleras de Huilla Catina (Huilla Catina, Santiago del Estero), Tinku Kamayu (Santa María, Catamarca), Warmipura (Tafí del Valle, Tucumán)
Audiovisuelles Triptychon, Konzept, Schnitt und Animation: Alina Bardavi
Kamera: Alina Bardavid und Álvaro Simón Padrós
Drehassistenz: Javier Díaz
Schnittassistenz: Álvaro Simón Padrós
Animationsassistenz: María José Vera und Gonzalo Tortola
Unión Textiles Semillas
Die Unión Textiles Semillas vereint zwölf Gruppen von Weberinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen aus verschiedenen Territorien im Nordwesten Argentiniens, zusammen mit einer interkulturellen Forschungsgruppe namens „Sembradoras“ (Die Säer*innen). Seit Anfang 2023 bringt sie verschiedene Frauenorganisationen aus ländlichen und indigenen Gemeinschaften zusammen, als ein künstlerisches Projekt, das Teil des Programms 99 Questions des Humboldt Forums ist. Sie experimentiert mit der Schaffung kollektiver Werke, die die Möglichkeit des Wachstums als Folge der Vereinigung von Aktionen, Erinnerungen und Kämpfen bekräftigen. Das Projekt wird von den argentinischen Kuratorinnen und Künstlerinnen Andrei Fernández und Alejandra Mizrahi koordiniert. Die Weberinnen aus Textiles Semillas haben ihre gemeinsamen Werke in Amaicha del Valle, Tilcara, Atamisqui und San Miguel de Tucumán vorgestellt und weiterentwickelt, begleitet von Workshops zum Wissensaustausch und Textilmärkten.
Im Jahr 2024 war Textiles Semillas Teil der Jornada de Arte Textil im Museum für Lateinamerikanische Kunst in Buenos Aires (MALBA), im Rahmen der Ausstellung „Soñar el agua“ von Cecilia Vicuña; sowie ist Teil der Ausstellungsreihe „Cantando Bajito“ in der Ford Foundation Gallery in New York. Außerdem nahm es an einer Residenz für Künstlerkollektive im Projekt URRA in Buenos Aires teil.
6 Masken-Installation, bestehend aus Plastiktischen und alten Smartphones. Im Auftrag der Stiftung Humboldt Forum für das 99 Questions Gathering entstandenes Kunstwerk. (2024)
Tell Me the Story ist eine poetische Geste, mit der die Künstlerin Sarah Ndele die Fragmente einer zerbrochenen Welt zusammensetzt. In dieser Multimedia-Installation verschmelzen Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Innovation zu einem lebendigen Dialog. Ndele führt uns zu den Wurzeln der afrikanischen Erzähltradition, zu jenem mündlichen Überlieferungssystem, das das Herzstück der afrikanischen Literatur bildet und gleichzeitig in den Schatten der Moderne zu verschwinden droht.
Durch ihre eigens entwickelte Technik, „Matsuela“ genannt, in der geschmolzenes Plastik zu Tränen wird, gibt Ndele einem Material eine Stimme. Zerbrochene Plastikstühle und andere Plastikobjekte, durch Feuer geschmolzen und in neue Formen gegossen, werden zu Symbolen für die Zerstückelung und Verletzung, die Afrika erfahren hat, aber auch für die Möglichkeit von Heilung und Wiederherstellung. Hier tritt das Feuer als Akt der Transformation und der Wiederaneignung in den Vordergrund: Aus den Tränen des gebrochenen Plastiks entsteht ein neuer Körper, ein erneuertes Bewusstsein, das die zerbrochenen Teile der Geschichte zusammensetzt.
Jede Maske, ausgestattet mit Smartphones, die in einer Endlosschleife Videoperformances abspielen, ist ein Fenster zu den Geschichten Afrikas. Ndele schafft eine vielschichtige Erzählung, die vom Persönlichen – wie in Walé, das sich mit postnatalen Praktiken in Afrika befasst – bis zum Spirituellen reicht, wie in Yemanja, einer Hommage an die Yoruba-Göttin der Gewässer. Weitere Masken, wie Sentinel, Dieu Dimosi (Ein Auge) und Decision, hinterfragen die spirituelle Autorität, erweitern das Sichtbare und rufen zur Rückeroberung der verlorenen Narrationen auf.
Mit dieser Installation schafft Ndele nicht nur ein Werk der Erinnerung, sondern auch einen Raum der Erneuerung – eine Einladung, die Brüche zu heilen, die verlorenen Erzählungen zu reaktivieren und eine neue Sprache zu finden. Ein Aufruf zur Verbundenheit und zur Umgestaltung der Fragmente einer kollektiven Geschichte.
Sarah Ndele
Sara Ndele wurde in Kinshasa geboren. Sie ist eine bildende Künstlerin von der Akademie der Schönen Künste in Kinshasa. In ihrer Arbeit befasst sie sich mit Themen wie Erinnerung, Wurzeln und dem aktuellen Zustand der Bildung oder Initiation im „Bas-Congo“, das heute Kongo Central heißt, innerhalb des Yombe-Stammes. Sie lässt sich von Yombe-Masken inspirieren und interpretiert sie auf ihre eigene Weise, indem sie Plastik verwendet. Ihre Technik nennt sich „Matsuela“, was Tränen bedeutet und symbolisiert, dass wir selbst mit Tränen ein neues Afrika aufbauen können. Außerdem nutzt sie die Malerei als Medium und arbeitet mit der Masonika-Schrift sowie der Spachteltechnik auf Leinwand.
Kuratorische Herangehensweise
Im Zentrum unserer kuratorischen Arbeit stehen von uns als „Nodes“ (eng. „Knoten“ oder „Verflechtung“) bezeichnete Momente der Aktivierung und des Zusammentreffens, in denen Fäden aufgegriffen und verknüpft werden, Erinnerungen aufleben, oder Knoten bewusst gelöst werden. Ähnlich wie Knoten, die sich öffnen und wieder zusammengebunden werden können, ist Wissen in ständigem Fluss; es kann sich entfalten oder neu zusammensetzen, Überzeugungen können sich wandeln und frisches Wissen kann sich festigen. Dieses Verständnis von Wissen ist inspiriert von Noden (Verbindungspunkte) in Netzwerksystemen (etwa Informations- und Kommunikationsnetzwerke): Je mehr Nodes (oder „Netzwerkknoten“) existieren, desto stabiler ist das Netzwerk.
Postextraktivismus und Pluriversum
Im Kontext von 99 Fragen repräsentieren die Nodes (hier als Forschungsknoten zu verstehen) die Verpflichtung zu einer nachhaltigen und langfristigen Zusammenarbeit, die sich auf kollektiven Wissensaustausch und gemeinsames Lernen konzentriert. Lokalspezifische Fragen werden gemeinsam von lokalen und internationalen Teilnehmenden vor Ort diskutiert, wodurch mögliche Verbindungen und Parallelen offenlegt werden. Indem wir uns in diesen In-Situ-Auseinandersetzungen gemeinsam die Pluralität und Vielschichtigkeit von situiertem Wissen anerkennen und uns darauf einlassen, wirken wir einer universalistischen Vorstellung von Wissen entgegen. Es ist für unsere Praxis unabdingbar, im Sinne eines anti-extraktivistischen Ansatz zu agieren, eine Art der Zusammenarbeit zu praktizieren, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Beteiligten und Partner*innen eingeht, und mögliche Formen der Kollaboration auszuloten.
Die Forschungsknoten folgen dem Versuch, das Museum zu dezentralisieren und stattdessen neue Zugänge und Narrative für die Bewahrung und Weitergabe von Wissen über materielle und immaterielle Kultur zu ermöglichen. Aufbauend auf das Konzept des „Pluriversums“ (wie es etwa von Arturo Escobar oder Achille Mbembe beschrieben wird) unterstreicht dieser Ansatz die Wichtigkeit der Anerkennung und Wertschätzung einer Vielfalt von Perspektiven und Formen von Wissen. Wir setzen uns für eine inklusivere, gerechtere und nachhaltigere Welt ein, in der Diversität zelebriert und Wissen durch Dialog und gegenseitigen Respekt hervorgebracht wird. Während des 99 Questions Gathering werden die unterschiedlichen „Nodes“ zusammengebracht, wodurch neue Momente öffentlicher Teilhabe und komplexe Netzwerke zwischen den Teilnehmenden, ihren Communities und Geistesverwandten geschaffen werden.
Weitere Informationen zu 99 Questions gibt es hier.
Beteiligte
Alejandra Mizrahi, Ana Roman, Andrei Fernandez, Ba Taonoga Julia Kaunda-Kaseka, biarritzzz, Diane Cescutti, Edna Martinez, Elisa Balmaceda, Han Song Hiltmann, Jean Kamba, Joseph K. Kasau Wa Mambwe, Lo-Def Film Factory und Russel Hlongwane, Martin Savransky, Michael Dieminger, Miguel Buenrostro, Mônica Hoff, Oscar Santillán, Paula Gaetano Adi, Patrick Mudekereza, Sara Garzón, Sarah Ndele, Unión Textiles Semillas, Vanessa Orewá, Walla Capelobo und Elsa M’bala.
La Unión Textiles Semillas, Pivô Art & Research Salvador de Bahía, Waza Centre d’Art Lubumbashi