Inhabiting
14.02.-26.03.2022
Seit Sommer 2021 forschen Berliner Künstler*innen im Rahmen von Moving the Forum | Das Forum bewegen auf dem Gelände des Humboldt Forums.
Das dritte Kapitel „Inhabiting“ befasst sich inhaltlich mit der Inbesitznahme des neuen kontroversen Stadtraums. Thematisiert wird, wer oder was dabei nicht miteinbezogen, nicht mitgedacht wurde. Ab dem 14. Februar beginnen drei Teams für sechs Wochen ihre künstlerische Auseinandersetzung vor Ort – gemeinsam mit jeweils 10-15 Teilnehmer*innen.
Die Ergebnisse aller drei künstlerischen Forschungen sind am 26.03.2022 in verschiedenen Performances erlebbar.
The Living Room
Die Tänzer*innen/Choreograph*innen Yotam Peled, Marie Hanna Klemm und Nitzan Moshe arbeiten unter dem Titel „The Living Room“ mit 15 Teilnehmer*innen der Altersgruppe 60+ und stellen dabei den erfahrenen Körper in den Fokus ihrer Recherche. Gemeinsam mit den Teilnehmer*innen legen sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf das Verhältnis ihrer Körper zum öffentlichen Stadtraum und untersuchen, wie diese als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart fungieren können.
„The Living Room“ ist ein nomadischer Performance-Prozess, eine Erkundung und Erweiterung der Räume im Museum, die in Symbiose mit ihnen interagieren.
Wir stürzen ab – Wir bauen unser Zuhause – Wir erforschen – Gestalten mit – Koexistieren – Wir erheben uns – Wir sind eine wilde Erinnerung in eine mögliche Zukunft
Die drei Künstler*innen arbeiten den gesamten Residenz-Zeitraum vor Ort: Unter der Treppe im 2. Stock wird ein dauerhaftes „Wohn- und Arbeitszimmer“ installiert; eine „Homebase“ – als eine Art permanentes Zuhause – entsteht überdies im Foyer. Jeweils dienstags und samstags arbeiten sie mit ihren Teilnehmer*innen vor Ort.
Das Vorschau-Video gibt einen kleinen Einblick in ihr Vorhaben:
Yotam Peled wurde ’89 im Kibbuz Beit-Keshet in Israel geboren. Seit seiner Kindheit beschäftigt er sich mit bildender Kunst, Leichtathletik und Capoeira. Im Alter von 21 Jahren, begann er zu tanzen und absolvierte später eine Ausbildung im Bereich zeitgenössischer Zirkus. Seit seinem Umzug nach Berlin im Jahr 2015 arbeitet er als freischaffender Performer mit verschiedenen europäischen Choreograf*innen zusammen, darunter Maura Morales, Yann L’Hereux, Troels Primdahl, Jill Crovisier und Mitia Fedotenko, und kreiert eigene choreografische Arbeiten, mit denen er auf Festivals in Israel, Deutschland, Polen, Italien, Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Nordmazedonien, Luxemburg, Japan, Thailand und Vietnam gastierte. Seine Solo-Performance „Boys Don’t Cry“ wurde von Awaji Circus Art, Würzburg tanzSpeicher, MASDANZA, Gdansk Dance Festival und Corpomobile Rom ausgezeichnet. Im November 2019 war er Resident Choreographer im Skopje Dance Theater und wird 2021/22 neue Werke für die Absolventen von EDCM, Kanada, und Frontier Danceland, Singapur, kreieren. Yotam war Gastdozent und Mitarbeiter an der Fontys Academy of Arts, Folkwang Universität der Künste, Dock11, Munstrum Theater, Cie. Hors Surface, Cooperativa Maura Morales, und Overhead Project.
Nitzan Moshe wurde 1994 in Israel geboren. Im Jahr 2013 absolvierte sie ein einjähriges Praktikum bei der BatSheva Ensemble Dance Company, wo sie mit Choreographen wie Ohad Naharin, Daniel Agami und Sharon Eyal arbeitete. Als Freiberuflerin tanzte Nitzan in Stücken mehrerer unabhängiger israelischer Choreografen, darunter das gefeierte „Girls“ von Roy Assaf. Seit 2014 ist Nitzan Mitglied der Vertigo Dance Company, sowohl als Tänzerin als auch als Assistentin der Choreografin, wo sie Werke von Noa Wertheim und Sharon Friedman aufführt. Im Jahr 2019 zog sie nach Berlin und arbeitete seitdem mit Kenan Dinkelman, Sita Ostheimer Dance Company und Yotam Peled & the Free Radicals.
Marie Hanna Klemm, geboren 1992 in Wuppertal, ist eine in Berlin lebende Tänzerin und Choreografin, die einen Bachelor- und Masterabschluss in Tanz und Choreographie von der Folkwang-Universität der Künste hat.
Sie hat mit dem Tanztheater Wuppertal, Pina Bausch, Johannes Wieland, Henrietta Horn und Jakob Ahlbom gearbeitet und kollaboriert derzeit u.a. mit Yotam Peled & The Free Radicals, Jann Gallois -CieBurnOut, Jill Crovisier -JC Movement Production und João Cidade.
In ihrer Arbeit an der Grenze zwischen Theater und Tanz geht Marie immer wieder neue Wege, sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer selbst. Indem sie ihre Identität als Performerin vertieft, kreiert und tourt sie aktiv ihre eigene Arbeit. Im Jahr 2019 gewann sie den 2. Preis der Jury für ihre Kreation -one more drama- beim Solo Dance Contest des Gdanski Festival Tanca.
Indem sie in den Raum zwischen intuitiven Sinnen, natürlichen Instinkten und dem rationalen Verstand investiert, sieht Marie die Bewegungspraxis als Schlüssel, um Kanäle zum Unterbewusstsein des Körpers zu öffnen und die Kreativität und das Wissen, das darunter liegt, freizulegen. Ihr künstlerischer Ansatz versucht, komplexe Strukturen menschlicher Verhaltensweisen und verborgene emotionale Muster besser zu verstehen und greifbar zu machen, indem sie Raum für ehrlichen Austausch, Verletzlichkeit und Empathie bietet.
Recollection in 3 colours
Geschichte als Summe von Erinnerungen – in ihrem Projekt „Recollection in 3 colours“ untersuchen die Pianistin Rieko Okuda und Kontrabassist Antti Virtaranta gemeinsam mit ihren Teilnehmer*innen das Verhältnis von Erinnerungen und Geschichte. Insbesondere an einem historisch so aufgeladenen Ort wie dem des Humboldt Forums, treffen Geschichte und Erinnerung spannungsreich aufeinander. Eine Soundinstallation mit visuellen Elementen lädt die Besucher*innen ein, den Erkenntnissen beizuwohnen.
Rieko Okuda ist Pianistin und Komponistin aus Japan. Sie begann im Alter von 3 Jahren mit klassischer Musik und studierte Musiktherapie am Doshisha Women College. Die Musiktherapie führte sie zur zeitgenössischen Musik und zur improvisierten Musik. Nach ihrem Abschluss am College zog sie in die USA, um Jazzmusik zu studieren. In den USA geriet sie sofort in die Jazzszene und trat mit einigen der größten amerikanischen Jazzmusiker (Bob Mintzer, Jon Faddis, John Fedchock usw.) auf mehreren Jazzfestivals auf, wie z. B. dem North Texas Jazz Festival und dem Nortredam Jazz Festival. Einige Jahre später begann sie sich für Free Jazz und improvisierte Musik zu interessieren, als sie in Phliladelphia lebte. Sie trat mit großen Improvisatoren wie Marshall Allen (vom San Ra Orchestra), Elliott Levine (Aufnahmen mit Cecil Taylor) und Calvin Weston (Aufnahmen mit Ornette Coleman) auf. Ihr Interesse an der Improvisierten Musik führte sie nach Berlin. Sie tritt mit verschiedenen Musikern in Berlin auf, wie z.B.. Tobias Delius, Axel Dörner, Els Vendaweyer, Linda Frederickson, ect. Außerdem arbeitet sie mit zeitgenössischen Tänzern wie Yuko Kaseki, Akemi Nagao und Annapaola Leso (von Sasha Waltz) zusammen. Sie tritt auf mehreren experimentellen Festivals auf: A’Larme Festival, JOE Festival Essen, Brda Contemporary Music Festival, XChange Festival, Experymental Festival, Flux Festival, und Soundance Festival, um nur einige zu nennen.
Antti Virtaranta, ein in Schweden geborener Finne, ist Bassist und Komponist. Er studierte und spielte Jazz in Philadelphia, USA, an der University of the Arts. Er ist überall aufgetreten, von Festivals bis zu kleinen Kaffeehäusern und ist in verschiedenen Stilen von freier Improvisation bis zu sehr traditionellem Swing Jazz zu Hause. Während seines Studiums begann er sich für Improvisation und Free Jazz zu interessieren und verlagerte seinen Schwerpunkt auf diese Stile. Derzeit lebt er in Berlin und tritt regelmäßig mit verschiedenen Projekten in Berlin auf. Er hat mit Elliott Levin, Tristan Honsinger, Harri Sjöström, um nur einige zu nennen, gespielt. Derzeit beschäftigt sich Antti mit Komposition und Improvisation und versucht, ein Notationssystem zu entwickeln, das eine musikalische Richtung vermittelt, ohne die Kreativität des Interpreten zu behindern. Aus den verschiedenen Einflüssen von Jazz, Rock und zeitgenössischer Musik formt er sein individuelles Vokabular. Ein weiterer Schwerpunkt ist seine elektronische und Bass-Solomusik, die er in kleinen Gruppen umsetzt.
The March
Gemeinsam mit einer Gruppe von BIPOC und weißen LGBTQ+ Personen zeigt der Performance-Protest „The March“ von Adrian Blount und Telmo Branco die Erfahrungen derer, die in kolonialen und postkolonialen Gesellschaften an den Rand gedrängt werden.
„The March“ ist eine Ansammlung von Körpern, von lebenden Testamenten. „The March“ ist eine Beerdigung, eine Parade, ein Aufstand und eine Darstellung der unterschiedlichen und manchmal gegensätzlichen Geschichten von BIPOC LGBTQ+ und weißen LGBTQ+ Personen.
Kolonisierung war ein Prozess, der innerhalb und außerhalb der kolonisierten Länder stattfand. Ein Prozess, der von denjenigen ertragen wurde, deren individuelle und kollektive Identitäten nicht mit der heteronormativen Kultur der Kolonisatoren übereinstimmten.
Land, Wissen, Identitäten wurden kolonisiert, Körper wurden kolonisiert. Es blieben zwei Möglichkeiten: Widerstand leisten und leiden, oder sich anpassen und verschwinden.
„The March“ sucht Raum und Körper zu dekolonisieren. Für BIPOC LGBTQ+ zielt er darauf ab, das Leid, das der Kolonialismus ihren Körpern, ihrem Geist und ihren Vorfahren angetan hat, anzuerkennen, indem er ihr Existenzrecht ehrt.
Für die weißen LGBTQ+ Personen taucht er in das koloniale Erbe ein, und erkennt gleichzeitig seine gewaltsam und fatal aufgezwungene Doktrin von Gender und Sexualität an.
„The March“ lädt die Museumsbesucher*innen zu einer Revolution ein. Eine Revolution, die darauf abzielt, den vom Berliner Schloss geschaffenen imperialen Raum zu demontieren, indem der polarisierende Riss offengelegt wird, der sich auftut, wenn die durch sein Erbe Unterdrückten und Ausgegrenzten diesen Raum bewohnen.
Parent to Chance Aijuka/ Non Binary Femme Boi/Gründerin/Organisatorin/Kuratorin/DJ- kam über San Diego, Kalifornien, nach Berlin. Nachdem Adrian an der San Francisco State University den Bachelor in Theaterwissenschaften gemacht hat, trat Adrian in New York auf, reiste mit einer Wandertheatertruppe durch das Land und zog dann nach Rhode Island, um mit verschiedenen Programmen der Brown University aufzutreten, darunter dem Center for Slavery and Justice, Brown/Trinity und Trinity Repertory Theatre. Seit sie/er in Berlin ist, hat Adrian antirassistische und kollektive Heilungsworkshops mit verschiedenen Organisationen wie Dice Festival and Conference und AfriVenir unterrichtet, international als DJ aufgelegt, ist in den Münchner Kammerspielen, der Volksbühne, dem Gorki, den Sophiensaelen, dem Ballhaus Naunynstrasse und dem English Theatre Berlin (und anderen) aufgetreten und ist Gründer*in und Hauptorganisator*in des Drag-Kollektivs House of Living Colors für ausschließlich queere und trans BIPOC.
(They / Them) ist Aktivist und interdisziplinäre*r trans- und nicht-binäre*r Künstler*in mit Ausbildungen in den Bereichen Schauspiel, Performance-Kunst, physisches Theater und zeitgenössischer Tanz. Telmo Branco kommt ursprünglich aus Portugal und lebt in Berlin. Mit Rücksicht auf emotionale Sensibilität ist Telmos Arbeit darauf ausgerichtet, queere Individuen und ihre unterdrückende Geschichte zu reflektieren. Telmo entwickelt derzeit „The Unspeakable“, ein Performance-Aktivismus-Projekt, das die kulturelle Stigmatisierung von sexueller Gewalt an Kindern unter einem queeren Blickwinkel reflektiert. Dieses Projekt diente als Plattform für „The Unspeakable: Performance Interviews“: Eine Reihe von fünf Performance-Interviews, in denen eingeladene queere Künstlerinnen und Künstler über verschiedene Formen von systemischer Gewalt sprechen und diese verkörpern: Homophobie, Queer- und Transphobie, Hassverbrechen, sexueller Missbrauch in der Kindheit, Behindertenfeindlichkeit und Rassismus/weiße Vorherrschaft. Telmos Film „The Tradition – The Film“ wird derzeit in Galerien und auf Filmfestivals gezeigt. Neben der Entwicklung der eigenen Arbeit hat Telmo mit Künstler*innen aus verschiedenen Bereichen zusammengearbeitet, darunter Veronica Riz (IT), Helena Waldmann (DE), Nir de Wolff (IL), Annelie Andre (AT), Alexandra Pirici (RO), Falk Richter (DE), Lea Pitschke und Michael Baumann (DE), Shang-Chi Sun (TW), Ximo Flores (ES), usw.