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Boris Missirkov, Georgi Bogdanov, D/BG/RO, 2017, FSK Infoprogramm, je 26 min., Deutsch

Die Dokumentarfilme „Paläste für das Volk“ erzählen die wechselvolle Geschichte von drei gigantischen sozialistischen Volkspalästen. Wir zeigen drei der vier Folgen, die jeweils circa 26min dauern, in Dauerschleife. Kommen Sie einfach rein und lassen sich von den  bisweilen bizarren Geschichten der gigantischen sozialistischen Volkspaläste faszinieren. Erfahren Sie mehr über die  Menschen, die sie bauten. Der Palast Serbiens in Belgrad, der Kulturpalast in Sofia und der Parlamentspalast in Bukarest – erbaut als Paläste für das Volk,  für eine revolutionäre Ewigkeit, haben ihre Auftraggeber überdauert.

Die bisweilen bizarren Geschichten der gigantischen sozialistischen Volkspaläste und die der Menschen, die sie bauten: der Palast Serbiens in Belgrad, der Kulturpalast in Sofia und der Parlamentspalast in Bukarest. Diese Paläste für das Volk, einst für eine revolutionäre Ewigkeit gebaut, haben ihre Auftraggeber überdauert.

Der Palast der Föderation in Belgrad, seinerzeit von Marschall Tito in Auftrag gegeben, bleibt in seinem Modernismus unberührt vom Einfluss des stalinistischen Barocks. Der Parlamentspalast in Bukarest ist der steingewordene Fiebertraum Ceausescus und kostete Bukarest große Teile seiner Altstadt: ein Drittel des Stadtzentrums, sechs Synagogen und 22 Kirchen wurden dem Erdboden gleichgemacht. Der Nationale Kulturpalast in Sofia wurde als Festspielhaus für die Feierlichkeiten zum 1.300-jährigen Bestehen Bulgariens gebaut. Das größte Kongresszentrum Südosteuropas ist bis heute für jede Art von Veranstaltung viel zu groß.

Kaum bekannte historische Aufnahmen von Bau, Eröffnungen und Festivitäten der opulenten Bauwerke verbinden sich mit hochkarätigem aktuellen Bildmaterial zu einem großen Sehgenuss.

In den Ländern des ehemaligen Ostblocks entstanden als steingewordene Propaganda für die herrschende Ideologie gigantische Paläste für das Volk. Sie alle sind die größten, die höchsten, die modernsten ihrer Stadt, ihres Landes oder der Welt. Die Gebäude stellten ihre Erbauer vor immense technische Herausforderungen, und doch sind die meisten heute, nach wenigen Jahrzehnten, schon hoffnungslos veraltet. Manche Palastbauten brachten die Wirtschaft ihrer Länder an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Die Bevölkerung hungerte und fror, hat aber bis heute kaum Zutritt zu großen Teilen der meisten Gebäude. Dennoch sind die Paläste zu kollektiven Referenzpunkten geworden, und Diskussionen um ihren Abriss stießen stets auf große Empörung.
Die Reihe nähert sich mit vier Beispielen – von denen drei im Rahmen des Themenwochenendes gezeigt werden – diesen gewaltigen und faszinierenden Bauten: Dem „Palast Serbiens“ in Belgrad, dem „Kulturpalast“ in Sofia und dem „Parlamentspalast“ in Bukarest.
Diese sozialistischen Paläste für das Volk, für eine revolutionäre Ewigkeit gebaut, haben ihre totalitären Auftraggeber überdauert und suchen nun nach neuer Bedeutung und Verwendung. Wir begegnen Menschen, die in diesen Palästen heute noch arbeiten oder ihnen biographisch eng verbunden sind: Sie erzählen von den Entstehungsgeschichten, lassen uns dem Größenwahn ihrer Auftraggeber nachspüren und den Bedeutungswandel der Paläste für die Menschen begreifen: vom verhassten Monument einer Diktatur zum Teil von Kultur, Identität und Erinnerung. Und manchmal auch zum nostalgischen Fixpunkt auf dem schwankenden Boden der Gegenwart.

Der Bau des Palasts Serbiens in Belgrad geht auf einen Befehl von Marschall Tito zurück, der ihn 1947 als „Palast der Föderation“ für die jugoslawische Staatenvereinigung und als Manifestation seines „eigenen sozialistischen Wegs“ anordnete. 1961 wurde das Gebäude mit dem internationalen Gipfel der blockfreien Staaten eröffnet, zu denen Jugoslawien zählte.
Der Wunsch nach politischer Unabhängigkeit von der UdSSR spiegelt sich in der Architektur des H-förmigen Gebäudes: In seinem Modernismus bleibt es unberührt vom Einfluss des stalinistischen Barock. Überarbeitet und ausgeführt wurden die Pläne von Mihajlo Jankovic, der vom Bauhaus beeinflusst war. So wirkt der mit weißem Marmor verkleidete Bau in bester Lage über dem Donaudelta auch heute noch zeitgemäß, vor allem von außen. Sein Inneres vermittelt durch die wertvollen Designermöbel und die komplett erhaltene Ausstattung der 60er Jahre eine zeitlose Eleganz. Jeder der großen Salons repräsentiert eine der ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken und weckt nostalgische Erinnerungen an die einstige sozialistische Föderation, die sich im Jahr 2006 endgültig auflöste, als sich nach dem 15 Jahre andauernden stetigen Zerfall Jugoslawiens schließlich auch noch Montenegro von Serbien abspaltete. Serbien gab sich damals eine neue Verfassung und distanzierte sich symbolisch von seiner jugoslawischen Vergangenheit. Der Palast war nun völlig überdimensioniert und viele der 744 Büroräume stehen seitdem leer. Für die Öffentlichkeit ist das größte Gebäude Belgrads trotz seiner Museumsqualitäten nicht zugänglich.

Der Kulturpalast in Sofia wirkt im Vergleich zum Größenwahn in den anderen Palästen fast moderat. In nur vier Jahren wurde er aus dem Boden gestampft und 1981 zur Feier des 1300-jährigen Bestehens von Bulgarien eröffnet. Die treibende Kraft hinter dem Projekt war die Tochter des Vorsitzenden der kommunistischen Partei Bulgariens, Todor Schiwkow, und damalige Kulturministerin Lyudmila Schiwkowa. Damals glänzte das pompöse Kultur- und Kongresszentrum mit futuristischer Technik und beherbergte alle nur vorstellbaren Kunstgegenstände. Jeder Werktätige musste – ob er wollte oder nicht – einen Tageslohn spenden, um die immensen Baukosten abzufedern. Er wurde vom Gehalt abgezogen, wodurch fast 15% der Kosten zusammenkamen. Ein Werbefilm von 1980 präsentiert voller Stolz die moderne Technik: Kolossale Apparaturen mit blinkenden Lichtern, tausend Knöpfchen und Tasten, Wände mit quadratmetergroßen Schaltplänen, ganze Sitzreihen, die wie von Geisterhand gezogen in den Wänden verschwinden.
Heute scheint der Palast vor allem eine Heimstatt und ein Museum seiner eigenen Belegschaft zu sein. Wir begegnen Mitarbeitern, die hier nahezu ihr ganzes Leben verbracht und in der Abgeschiedenheit ihrer kaum aufzufindenden Arbeitsräume alle Systemwechsel und EU-Beitritte überdauert haben. Die Sanierungskosten des schnell aus der Mode gekommenen Palastes werden derzeit durchgerechnet. Bulgarien übernimmt 2019 die EU-Ratspräsidentschaft – bis dahin müssten die Renovierungsarbeiten abgeschlossen sein.

Der heutige Parlamentspalast in Bukarest hieß früher „Haus des Volkes“, wurde vom Volk selbst jedoch als „Haus des Sieges über das Volk“ bezeichnet. Verbaut wurden 700.000 Tonnen Stahl, 550.000 Tonnen Zement und 1 Million Kubikmeter Marmor. Für den Bau des zweitgrößten Verwaltungsgebäudes der Welt ließ Ceausescu die Bevölkerung buchstäblich hungern. Von 1983 bis 1989 nach seinen Vorstellungen errichtet, wurde der Palast erst 1997, sozusagen posthum, fertig gestellt. Etwa ein Drittel des Stadtzentrums, sechs Synagogen und 22 Kirchen wurden dafür dem Erdboden gleich gemacht oder versetzt. 40.000 Wohnungen wurden zwangsgeräumt. Geschichte wurde überschrieben, Urbanisierung um jeden Preis vorangetrieben.
Das Gebäude ist der steingewordene Größenwahn eines ehemaligen Schusterjungen, der als Staatschef seine Allmachtsfantasien auslebte und per Handzeichen ganze Strassenzüge vernichten lassen konnte. Archivaufnahmen zeigen die gigantische Baustelle, wimmelnd von schwer schuftenden Bauarbeitern. Zwischen ihnen stolziert Ceausescu und begutachtet das Treiben.
Der Palast selbst ist so überdimensioniert, dass der Mensch sich unweigerlich winzig fühlt. Noch heute ist das Stadtzentrum Bukarests von Ceausescus Palast wie durchschnitten und vernarbt. Dass die erste demokratisch gewählte Regierung Rumäniens nahtlos in das Herrschaftsgebäude des totalitären Ceausescu zog, ist nicht unumstritten. Doch trotz aller Erinnerungen an Unterdrückung, Entbehrung und Vertreibung beim Bau dieses Palastes der Superlative will man ihn heute in Bukarest nicht mehr missen.

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