Highlight
Vergangene Termine
{{ time.start_TS | TS2dateFormat('DD') }}
{{ time.start_TS | TS2dateFormat('MMM') }}
{{ time.start_TS | TS2dateFormat('YYYY') }}

Paul Ben-Haim (1897 – 1984): Streichquartett op. 21

Con moto sereno
Molto vivace
Large e molto sostenuto
Rondo-Finale. Allegretto commodo

14.00 Uhr Raum 306 Orient und Okzident
Satz 2 und 4

14.30 Uhr Raum 320 China und Europa
Satz 3 und 4

15.00 Uhr Raum 320
Satz 2 und 4

15.30 Uhr Raum 306
Satz 3 und 4

Besetzung:
Erez Ofer, Violine
Nadine Contini, Violine
Alejandro Regueira Caumel, Viola
Hans-Jakob Eschenburg, Violoncello

Ein verträumtes Miteinander von vier gleichrangigen Stimmen und doch über weite Strecken ein suchendes Gespräch in spröden Quart- und Quintmelodien: Das Streichquartett op. 21 von Paul Ben-Haim lässt aufhorchen und gibt zugleich Rätsel auf. Beim Gebrauch der beiden Intervalle Quarte und Quinte vermeidet der Komponist die Terz, die gemeinhin das Tongeschlecht definiert und tonaler Musik – wozu das 1937 komponierte Werk gehört – eine Richtung gibt.

Paul Ben-Haim wurde 1897 als Paul Frankenburger in München geboren. Nach dem Abitur in München studierte er von 1915 bis 1920 an der Akademie der Tonkunst seiner Heimatstadt bei Friedrich Klose und Walter Courvoisier Komposition sowie bei Berthold Kellermann Klavier. Seine musikalische Laufbahn begann er als Assistenzdirigent von Hans Knappertsbusch und von Bruno Walter am Bayerischen Staatstheater. Ab 1924 war er Kapellmeister in Augsburg, eine Stelle, die er 1931 wegen zunehmender antisemitischer Anfeindungen verlor. Bereits 1933 emigrierte Paul Frankenburger aus Deutschland und lebte seitdem als Komponist und Dirigent in Tel Aviv. In Palästina lernte er Hebräisch und wählte den Nachnamen Ben-Haim : „Sohn des Lebens“.

Der Einschnitt

Bereits vor seiner Emigration nach Palästina hatte Paul Frankenburger mehr als 80 Klavierlieder in der Nachfolge von Franz Schubert, Johannes Brahms, Hugo Wolf und Gustav Mahler komponiert. Auch die frühe Kammermusik und die Chorwerke reihten sich stilistisch zwischen Mahler, Reger und Strauss ein. Unmittelbar nach der Ankunft im Nahen Osten stellte Paul Ben-Haim fest, dass er für seine an deutscher Romantik ausgerichtete Musik kein Interesse finden würde. Erstaunlich schnell und flexibel reagierte er auf die neuen Herausforderungen, so dass sich die Musik Paul Ben-Haims von jener Paul Frankenburgers grundsätzlich unterschied. Waren in Deutschland Texte von Johann Wolfgang Goethe, Eduard Mörike, Heinrich Heine, Friedrich Nietzsche, Christian Morgenstern, Joseph von Eichendorff oder Hugo von Hofmannsthal sein täglicher Umgang, so zogen in Palästina sephardische Melodien, biblische Texte und Gedichte zeitgenössischer jüdischer Schriftsteller in seine Kompositionen ein. Die jemenitische Sängerin Bracha Zephira lehrte ihn jüdische und arabische Lieder zu verstehen, so dass das Studium von deren Melodik und Rhythmik fortan seine Werke beeinflusste.

Ein Streichquartett spricht Bände

Das erste in Palästina entstandene Werk war nach vier Jahren pianistischer und dirigentischer Tätigkeit das Streichquartett op. 21. Der neue Tonfall spiegelte die unüberhörbare Entfernung von den deutschen Traditionen. „Statt Polyphonie finden sich hier parallel verschobene Klänge, statt Chromatik Diatonik, statt Entwicklung Reihung. Paul Ben-Haim suchte damals nach einer neuen Synthese westlicher und östlicher Musikstile.“ (Albrecht Dümling) Sogleich avancierte das neue Streichquartett zu einem der populärsten in Palästina entstandenen Kammermusikwerke. Zugleich verfügte der Komponist, dass all seine Musik, die er vor 1933 geschrieben hatte, zu vernichten sei – was glücklicherweise nicht geschah und von ihm selber später relativiert wurde.

Bereits im einzigen Streichquartett erweist sich sinnstiftend, was in den beiden Sinfonien (1940 und 1945), der Klaviersonatine op. 38 (1946) sowie dem sinfonisch konzipierten Klavierkonzert op. 41 (1949) manifest wird: Orientalische Melodik verschmilzt mit Einflüssen des französischen Impressionismus, Tanzrhythmen treffen auf träumerisches Innehalten. Gebetsartige Sequenzen werden abgelöst von Passagen perkussiver Dramatik. Das gilt vor allem für das Finale des Quartetts, wo jüdische Themen und Tanzrhythmen die Substanz bilden. Zart-traurige Zwischenspiele unterbrechen jäh die Ausgelassenheit, um anschließend die Eintrübungen immer wieder abzuschütteln – bis hin zum verzweifelt-trotzigen Schluss, der anmutet, als sei etwas Wertvolles zerbrochen.

Dem voraus gehen zwei Sätze: ein Scherzo in erregtem Galopp, das mehrere Unterbrechungen mit elegischem Unterton erfährt, zuletzt gar gespenstische Dimensionen annimmt, bevor die Musik mit Mendelssohnscher Eleganz gleichsam in einem Sommernachtstraum zerstiebt. Und ein Largo molto e sostenuto, dessen Grundpuls aus extrem langsamen Viertelnoten besteht (40 Schläge pro Minute, mithin wesentlich langsamer als der Ruhepuls eines Menschen). Auch dieser große Gesang kommt nicht ohne heftige Aufgipfelung in der Mitte aus. Die vorherrschende melodische Richtung in allen vier Sätzen ist eine permanente Abwärtsbewegung – seit 500 Jahren in der musikalischen Rhetorik für nicht unbedingt zuversichtliche Botschaften bekannt.

Das Streichquartett läßt die bittere Zäsur der erzwungenen Emigration anklingen. Die erste Sinfonie Paul Ben-Haims, 1940 entstanden, weiß bereits um die Katastrophe der systematischen Judenverfolgung und um die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Gehetzte Marschrhythmen, brutale Einschläge des Schlagwerks zeichnen dort das Grauen. Aber auch klingende Sinnbilder des Trostes und der Hoffnung finden Platz in der Sinfonie. Europäische Idiome verschmelzen mit israelischen und arabischen, geistliche mit weltlicher Musik, Volksmusik mit Kunstmusik.

Weit über die künstlerische Idee hinaus verfolgt Paul Ben-Haim ein gesellschaftliches Ideal – ein gleichberechtigtes Miteinander in Palästina, wo Menschen verschiedener Herkunft und Kultur voneinander profitieren und miteinander agieren können. Dieses Ethos qualifiziert Paul Ben-Haim zu einem der Gründerväter des israelischen Musiklebens. Zahlreiche Schüler, unter ihnen Tzvi Avni, Ben-Zion Orgad, Ami Maayani und Noam Sheriff, treten in seine Fußstapfen. 1972 erhielt Ben-Haim das Bundesverdienstkreuz, 1984 starb er in Tel Aviv.

Steffen Georgi, Konzertdramaturg des RSB

Das Mikrokonzert #2 ist Teil einer Reihe von Konzerten, bei denen Musiker*innen des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin sich in den Dialog mit den Ausstellungen begeben. Das Humboldt Forum und das RSB veranstalten die Mikrokonzerte gemeinsam jeweils an Museumssonntagen bis Juni 2024 – im Rahmen des 100. Jubiläums des RSB.

 

mehr lesen weniger lesen

gehört zu

Beteiligte

Der in Israel geborene Geiger Erez Ofer ist seit 2002 Erster Konzertmeister des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Seine musikalische Laufbahn wird flankiert von mehreren wichtigen Wettbewerbserfolgen: 1. Preis beim ARD-Wettbewerb in München, Goldmedaille beim Zino-Francescatti-Wettbewerb in Frankreich, 1. Preis beim Israelischen Rundfunk-Wettbewerb, Silbermedaille beim weltberühmten Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Belgien und Paganini-Preisträger an der Universität von Indiana sowie Preisträger beim Tibor-Varga-Wettbewerb. Trotz seines Engagements beim RSB bleibt Erez Ofer weiterhin ein aktiver Solist und Kammermusiker. Als Solist verpflichteten ihn u.a. das Philadelphia Orchestra, das Israel Philharmonic, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Belgische Nationalorchester, das Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo und die Jerusalem Symphony. Zwischen 1993 und 1998 war Erez Ofer Konzertmeister des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Lorin Maazel und des Philadelphia Orchestra unter Wolfgang Sawallisch. Erez Ofer spielt eine Violine von Domenico Montagnana aus dem Jahre 1729.

Porträt des Violinisten Erez Ofer
© RSB

Nadine Contini, Stimmführerin der 2. Violinen, ist seit März 2005 Mitglied des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Sie wurde 1979 in Saarbrücken geboren und ihren ersten Violinunterricht erhielt sie im Alter von 5 Jahren bei Frau Christa Schmitt-Rink. Danach war sie Schülerin von Ulrieke Dierick. 1996 wurde sie in die Pflüger-Stiftung Freiburg und die Spohr-Akademie zur Förderung hochbegabter junger Geiger aufgenommen, wo sie von Wolfgang Marschner und Ariane Mathäus ausgebildet wurde. Im Jahr 2000 begann sie ihr Studium an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ in Berlin bei Antje Weithaas, welches sie 2008 mit dem Konzertexamen abschloss. Sie besuchte Meisterkurse bei Antje Weithaas, Wolfgang Marschner, Christian Tetzlaff, Guy Braunstein und Boris Pergamenschikov.

Nadine Contini ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe: 1998 wurde sie mit einem 1. Bundespreis „Jugend musiziert“ ausgezeichnet. Darüber hinaus erhielt sie u.a. einen 2. Preis beim Internationalen Max Reger Wettbewerb sowie einen Sonderpreis für die beste Interpretation eines Solowerkes von Max Reger. 2004 gewann sie den Wettbewerb der Ibolyka-Gyarfas-Stiftung. Kulturförderpreise wurden ihr durch die Casino Gesellschaft Saarbrücken und den Saarländischen Rundfunk verliehen. Außerdem war sie Preisträgerin und Stipendiatin der Deutschen Stiftung Musikleben. Als Solistin spielte sie u.a. mit dem Landesjugendorchester des Saarlandes, dem Cairo Chamber Orchestra, dem Cairo Opera Orchestra, der Deutschen Spohr Philharmonie, dem Symphonieorchester des Saarländischen Rundfunks im Rahmen der Konzerte Junger Künstler, der Max Bruch Philharmonie und den Brandenburger Symphonikern. Nadine Contini spielt eine Violine des Geigenbaumeisters Stefan-Peter Greiner aus Bonn und engagiert sich als Mentorin in der Orchesterakademie des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin.

Porträt der Violinistin Nadine Contini
© Bettina Stöß

Alejandro Regueira Caumel, geboren 1991 in Málaga/Spanien, begann als Sechsjähriger mit dem Geigen- und Klavierspiel. In Madrid studierte er bei Anna Baget und wechselte 2008 als Bratschist zu Dionisio Rodríguez. 2009 kam er nach Deutschland und studierte an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ bei Pauline Sachse und Tabea Zimmermann. Meisterklassen bei Wilfried Strehle, Andreas Willwohl, Roberto Díaz, Felix Schwartz und Jean Sulem ergänzten seine Ausbildung.

Einen besonderen Schwerpunkt in seiner bisherigen Laufbahn stellt die Kammermusik dar. So nahm er am Kammermusik-Festival der „Kronberg Academy“ und an der „Seiji Ozawa

International Academy Switzerland“ teil, trat wiederholt mit dem Frielinghaus Ensemble auf und ist regelmäßig bei Kammermusik Festivals wie dem „Festival Ribeira Sacra“ oder im Nikolaisaal Potsdam zu hören. Außerdem gewann er erste Preise bei verschiedenen Wettbewerben, darunter beim „Concurso Ibérico de Música de Cámara con Arpa“ (im Duo mit der Harfenistin Maud Edenwald), beim XII. Internationalen Wettbewerb für Viola und Cello „Villa de Llanes“, beim „Concurso María Cristina“ für junge Solisten und beim Wettbewerb von „Jeunesses Musicales“ in Spanien.

Alejandro Regueira Caumel sammelte Orchestererfahrung als Mitglied des Gustav-Mahler-Jugendorchesters und des Spanischen Nationalen Jugendorchesters, sowie durch Aushilfetätigkeiten bei den Berliner Philharmonikern und als Solobratscher bei den Bamberger Symphonikern, bei der NDR Radiophilharmonie Hannover, im NDR Elbphilharmonie Orchester, im Philharmonia Orchestra London, im Orquestra de la Comunitat Valenciana und im Orquesta Nacional de España.

Von 2010 bis 2012 war er Akademist beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und ist seit 2015 dessen Solobratscher.

Porträt des Solobratschisten Alejandro Regueira Caumel
© Bettina Stöß

Hans-Jakob Eschenburg erhielt ersten Violoncello-Unterricht am Konservatorium Rostock. Nach dem Studium bei Josef Schwab an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin war er von 1984 bis 1988 Erster Solocellist des Rundfunk-Sinfonieorchesters Leipzig.

Mit dem renommierten Petersen-Quartett, dessen Gründungsmitglied er war und dem er bis zum Jahr 2000 angehörte, gewann er mehrere internationale Wettbewerbe (Prag, Evian, Florenz, München) und gastierte auf den großen Konzertpodien und bei zahlreichen Festivals in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Australien. Mehrere der zahlreichen CD-Aufnahmen des Petersen-Quartetts wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet.

Seit 1999 ist Hans-Jakob Eschenburg Erster Solocellist des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Die gleiche Position hatte er im Kammerorchester „Carl Philipp Emanuel Bach“ inne. Er tritt immer wieder als Solist und Kammermusiker in Erscheinung, u.a. als Mitglied verschiedener Kammermusikensembles, wie dem Gideon-Klein-Trio. Hans-Jakob Eschenburg lehrt im Rahmen einer Honorar-Professur an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Auch engagiert er sich als Mentor der Orchesterakademie des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin.

Porträt des Solocellisten Professor Hans-Jakob Eschenburg
© Bettina Stöß

Die Mikrokonzerte sind Teil einer Reihe von Gratis-Konzerten, bei denen Musiker*innen des RSB sich in den Dialog mit dem Ort und den Ausstellungen begeben. Das Humboldt Forum und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin veranstalten die Mikrokonzerte gemeinsam im Rahmen des 100. Jubiläums des RSB. Weitere Termine:

So. 3. März, 14.00-16.00 Uhr
So. 7. April, 14.00-16.00 Uhr
So. 2. Juni, 14.00-16.00 Uhr

 

Bleiben Sie auf dem Laufenden!
Abonnieren Sie unseren Newsletter.