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kostenfrei |
Bitte geben Sie vor Betreten der Ausstellungsfläche Mäntel und große Taschen an der Garderobe oder den Schließfächern im Erdgeschoss ab. Die Zahl der Sitzplätze ist begrenzt, dazu kommen Stehplätze. Bei Überfüllung müssen wir den Zugang zeitweise schließen. |
Dauer: 60 min |
Keine Sprachkenntnisse erforderlich |
Berlin Ausstellung, 1. OG, Humboldt Labor, 1. OG |
Teil von: Mikrokonzerte des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin |
Gideon Klein, geboren 1919 in der Tschechoslowakei, wurde 1941 in Theresienstadt interniert und am 27.1.1945, dem Tag der Befreiung, in einem Außenlager von Auschwitz ermordet. Sein letztes Werk, ein Streichtrio, spielen junge Musikerinnen aus der Akademie des Rundfunk-Sinfonieorchesters im letzten Mikrokonzert der Saison an zwei besonderen Ausstellungsorten. Im Humboldt Labor führen Spuren zur Verstrickung der Berliner Universität in die Eroberungs- und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten: der „Generalplan Ost“ zur agrarischen Kolonisierung, die Sammlung von deutschen Dialekten im „Lebensraum“ Osteuropa und eine Fotosammlung von „völkischen“ Bräuchen. Vom Raum „Verflechtung“ der Ausstellung Berlin Global ist es nicht weit zur Häftlingsuniform aus dem KZ Ravensbrück im Raum „Mode“ und Dokumenten zur Shoah im Raum „Krieg“.
Programm
Gideon Klein (1919-1945)
Trio für Violine, Viola und Violoncello
1. Allegro
2. Lento
3. Molto Vivace
Beginn jeweils im Humboldt Labor.
Mitwirkende
Arisa Hagiwara begann im Alter von drei Jahren mit dem Geigenspiel. Sie studierte bei Taro Uemura, Aiko Mizushima, Prof. Sebastian Hamann und Prof. Julia Schröder. Im März 2024 hat sie den Masterstudiengang an der Hochschule für Musik Freiburg mit der höchsten Auszeichnung absolviert, nachdem sie ihren Bachelor an der Tokyo University of the Arts abgeschlossen hatte.
Sie ist Mitglied der Jungen Deutschen Philharmonie und des Gustav Mahler Academy Orchester (2023-2024). Während ihres Studiums war sie beim Philharmonischen Orchester Freiburg und bei der Norddeutschen Philharmonie Rostock als Gastspielerin/ Akademistin tätig. Seit März ist sie Akademistin beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB).
Sie erhielt den ersten Preis bei der 40. Ryukyu Shimpo Competition, den Exzellenzpreis der 5. K International Music Competition, hohe Auszeichnungen bei der 25. und 27. Japan Classical Music Competition und 20. Japan Player’s Competition und den 4. Platz beim 13. Beten International Music Competition.
Anna Kalvelage, geboren 1998 in Köln, erhielt ihren ersten Violoncellounterricht im Alter von sechs Jahren am Konservatorium Georg Philipp Telemann in Magdeburg bei Magdalena Engel. 2010 wechselte sie zu Prof. Matias de Oliveira Pinto und studiert seit 2016 bei Prof. Stephan Forck an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Meisterkurse bei Professoren wie Peter Bruns, Troels Svane, Philippe Muller, Wen-Sinn Yang, Miklos Perenyi und Reinhard Latzko ergänzten ihre musikalische Ausbildung. Sie gewann 2015 und 2016 jeweils einen 1. Bundespreis bei „Jugend musiziert“ in den Kategorien „Besondere Ensembles“ und „Violoncello solo“, beide mit Höchstpunktzahl und verbunden mit einem Sonderpreis der Deutschen Stiftung Musikleben.
Im Alter von zehn Jahren trat sie erstmals solistisch mit Orchester auf. Im November 2016 spielte sie als Solistin mit „Das Sinfonieorchester Berlin” im Großen Saal der Berliner Philharmonie. Außerdem war sie im Februar 2019 bei einer Tournee der „Neuen Philharmonie Berlin“ als Solistin zu hören. Sie trat bei zahlreichen Festivals auf, wie zum Beispiel dem Schleswig-Holstein Musikfestival und den Mecklenburger Festspielen.
Gefördert wird sie als Stipendiatin durch das Cusanuswerk, den Verein Yehudi Menuhin Live Music Now Berlin e. V. und die Deutsche Stiftung Musikleben. Außerdem ist sie Preisträgerin des Maria-Ladenburger-Förderpreis 2022.
Seit November 2022 ist sie Akademistin im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.
Die Bratschistin Martha Roske ist seit Oktober 2022 Mitglied der Orchesterakademie des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin und studiert im Masterstudium bei Prof. Pauline Sachse an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“. Die musikalische Laufbahn der gebürtigen Berlinerin begann auf der Geige, bevor sie im Alter von 13 Jahren zur Bratsche wechselte. Von Beginn an war das Ensemblespiel für die junge Musikerin einer der wichtigsten Bestandteile ihrer Ausbildung. Als Akademistin der Internationalen Musikakademie zur Förderung Hochbegabter in Deutschland nahm sie an verschiedenen Kammermusik-Meisterkursen teil und gründete 2016 das Liebermann-Streichquartett, mit welchem sie erfolgreich mehrere Wettbewerbe spielte. Erste Orchestererfahrung sammelte sie als Mitglied der Jungen Philharmonie Brandenburg sowie als Solobratschistin der Deutschen Streicherphilharmonie.
Während des Bachelorstudiums bei Prof. Erich Krüger und Prof. Ditte Leser an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar war Martha Roske Substitutin der Bratschengruppe der Staatskapelle Weimar und engagierte sich von 2019-2022 bei gemeinnützigen Konzerten des Yehudi Menuhin Live Music Now Weimar e. V. Weitere musikalische Impulse sammelte sie u. a. beim Zermatt Music Festival und bei Meisterkursen mit Noboku Imai, Barbara Westphal, Danusha Waskiewicz und dem Armida Quartett. 2021 wurde ihr ein Musikstipendium der Hans-und-Eugenia-Jütting-Stiftung verliehen.
Gideon Klein: Notizen zu Leben und Werk
von Steffen Georgi, Konzertdramaturg des RSB
Komponieren in Theresienstadt
In den Musiklexika fehlte bis vor kurzem der Name Gideon Klein. Dafür stand er in den Listen, mit denen die SS die Insassen des KZ Theresienstadt registriert hatte. Eingeliefert im Dezember 1941 in das „Musterghetto“, zwei Tage vor seinem 22. Geburtstag, gehörte der junge Musiker gemeinsam mit Hans Krása, Pavel Haas und Viktor Ullmann zu denjenigen, die in dem Lager die „Großherzigkeit“ der Nazis zu spüren bekamen. Das Judenreservat Theresienstadt sollte nach dem abgefeimten Plan der Nazis von außen wie das Paradies wirken.
Gideon Klein hatte vor seiner Internierung gerade noch die Meisterklasse für Klavier am Prager Konservatorium abschließen können. Die weiteren Studien (Musikwissenschaft, Komposition, Philosophie) musste er abbrechen, weil die deutschen Besetzer die tschechischen Hochschulen schlossen. Nun organisierte er im Lager Musikveranstaltungen, übernahm die Betreuung von Waisenkindern, trat als Pianist auf und studierte Kammermusik mit Gleichgesinnten ein. Darüber hinaus komponierte er (als Autodidakt) für die mit ihm inhaftierten Dirigenten, Sänger und Instrumentalisten, eine beklemmend sorgfältig ausgewählte Schar genialer jüdischer Künstler der Zeit. „Zu betonen ist nur, dass ich in meiner musikalischen Arbeit durch Theresienstadt gefördert und nicht etwa gehemmt worden bin, dass wir keineswegs bloß klagend an Babylons Flüssen saßen und dass unser Kulturwille unserem Lebenswillen adäquat war“, notierte Viktor Ullmann 1944 in seinem Aufsatz „Goethe und Ghetto“.
Wenige Wochen, nachdem im Sommer 1944 ein Nazi-Propagandafilm über die angebliche Idylle in Theresienstadt gedreht worden war, wurden die Häftlinge Zug um Zug nach Auschwitz in die Gaskammern deportiert. Gideon Klein war im Transport, der am 16. Oktober 1944 Nordböhmen verließ. Am 7. Oktober hatte er sein letztes Werk zu Ende komponiert, das Streichtrio. Er war damals noch keine 25 Jahre alt.
Kulturwille als Lebenswille
Besetzung und Inhalt des Streichtrios beziehen sich unmittelbar auf die final zugespitzte Situation, in der sich die Lagerinsassen befanden: Täglich rissen Häftlingstransporte Lücken in die Reihen der verfügbaren Musiker, ließen vertraute Kollegen, Freunde und Familienangehörige für immer verschwinden. Alle drei Sätze des Trios von Gideon Klein verwenden mährische Volksmelodien. Heimatfreude will gleichwohl nicht aufkommen. Tonal verzerrt und rhythmisch zerborsten, atmen die Volksmelodien in den Ecksätzen illusionslose Trauer, aber auch Charakterfestigkeit, Härte und Stolz. Mitten im Mittelsatz, einer Variationenfolge über ein Volkslied, schnürt eine Variation dem Zuhörer buchstäblich das Herz zusammen. Leise, schmucklos, einstimmig, in beiläufigem Andantino-Tempo und in rhythmisch schier entwurzeltem 5/8-Takt kündet eine kleine Melodie von der gründlichsten aller Grausamkeiten, dem Auslöschen durch Vergessen.
Die Mikrokonzerte sind Teil einer Reihe von Konzerten, bei denen Musiker*innen des RSB sich in den Dialog mit dem Ort und den Ausstellungen begeben. Das Humboldt Forum und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin veranstalten die Mikrokonzerte gemeinsam im Rahmen des 100. Jubiläums des RSB.