South-to-South
Ein Austausch zu afrikanischen und afro-diasporischen Technologien
Ziel des Projekts South-to-South ist das Schaffen neuer Verbindungen zwischen sowie ein Neudenken von technischem, künstlerischem und kosmologischem Wissen im sogenannten Globalen Süden. Im Zuge des Projekts fanden zwei Zusammenkünfte statt, das erste in Salvador de Bahía in Brasilien, das zweite in Lubumbashi, DR Kongo, die in Zusammenarbeit mit Pivô Art and Research (Brasilien) und dem Centre d’art Waza (DR Kongo) organisiert wurde und Gruppen aus Künstler*innen, Denker*innen und Community-Organisator*innen zusammenbrachten. Mit einer abwechslungsreichen Mischung aus Talks, Workshops, experimentellen Vorträgen und weiteren Aktivitäten (wie geführten Spaziergängen und Kochsessions), stößt South-to-South einen Austausch von Ideen und Praxen an, die konventionelle westliche* Paradigmen von Technologie und Fortschritt kritisch hinterfragen.
Das erste Treffen, das in Salvador de Bahía stattfand, legte einen Schwerpunkt auf die bedeutende Rolle von afrikanischen Kosmologien und die Wiederbelebung uralter landbasierter Praktiken. Hervorgehoben wurde dabei die Notwendigkeit von alternativen Definitionen von Technologien, die ihren Ursprung in den gelebten Erfahrungen afrikanischer und afro-diasporischer Communities haben. Inspiriert von dem Manifiesto del Cimarronismo Moderno des martinikanischen Künstlers René Louise und dem Aufsatz A terra dá, a terra quer des brasilianischen Philosophen und Quilombola-Führers Antônio Bispo dos Santos untersuchten die Teilnehmenden, wie Maroonismus und Quilombismus – eine Praxis antikolonialen Widerstands und der Unbeugsamkeit – moderne technologische Praktiken, von der Robotik bis hin zur Biotechnologie, beeinflussen können. Diese Neuinterpretation von Technologie als Instrument der Widerständigkeit, aber auch der globalen Koexistenz, bildete die Grundlage für einen andauernden Dialog und eine kontinuierliche Zusammenarbeit.
Das zweite Treffen, das in Lubumbashi stattfand, beschäftigte sich eingehender mit dem Zusammenspiel von traditionellem landbasierten Wissen und kosmologischen Verständnissen von Technologie. Gemeinsam untersuchten die Teilnehmenden, wie lokale technologische Systeme zum „Pluriversum“ beitragen können – einer Welt der vielen Welten, in der unterschiedliche Zukünfte und artenübergreifende Realitäten parallel entstehen können. Das Treffen unterstrich die Wichtigkeit erkenntnistheoretischer Solidarität – also dem Anerkennen, dass Wissen auf unterschiedliche Weise erlangt werden kann – für die Bewältigung des aktuellen Zustands der Welt und regte zum Nachdenken über alternative Formen und Methoden der Wissensvermittlung an, die auf Achille Mbembes Forderung nach Pluriversalität zurückgehen. Dieses Konzept vertritt einen Ansatz, bei dem Wissensaustausch und -verbreitung von vornherein auf der Pluralität und Diversität dessen gründen, was in seiner Gänze als Globaler Süden bezeichnet wird.
Beteiligte
Oulimata Gueye, Russel Hlongwane, Lo-Def Film Factory, Gabriela de Matos, Walla Capelobo, Vanessa Orewá Pereira, Elsa M’Bala, Biarritzzz, Buhlebezwe Siwani, Sarah Ndele, Sara Garzón, Jorge Washington, Acervo da Laje, Casa do Benin, Museu de Arte Contemporânea da Bahia, Anne Rodrigues, Patrick Mudekereza, Christian Nyampeta, Michael Dieminger, Bodil Furu, Ba Taonga Julia Kaunda-Kaseka, Desiré Lumuna, Diane Cescutti, Joseph Kasau, Rita Mukebo, Mr. Makonga.
Sara Garzón, Michael Dieminger, Mônica Hoff and Ana Roman (Pivô), Christian Nyampeta und Patrick Mudekereza (Waza)
Sara Garzón ist eine in New York lebende kolumbianische Kuratorin und Autorin. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf zeitgenössischer lateinamerkanischer Kunst, mit einem Schwerpunkt auf Themen rund um Dekolonialität, indigene Technologien, Ökokritik und Solidaritätspolitik im globalen Süden. Sie schloss ihren Master in Kunstgeschichte und Archäologie am Institute of Fine Arts an der New York University ab (2015) und promovierte 2022 an der Cornell University im Fachbereich für Kunstgeschichte und Bildwissenschaft. Sara hat bereits eine Reihe an Stipendien und Förderungen erhalten, darunter das Andrew Harris Postdoctoral Fellowship der University of Vermont (2012-22) sowie das Jane and Morgan Whitney Curatorial Fellowship (2020-21) und das Lifchez-Stornach Curatorial Internship (2014-15) des Metropolitan Museum of Art, New York. Sara Garzón kuratierte Ausstellungen in den USA, Europa und Lateinamerika und ist aktuell Ko-Kuratorin des Projekts South-to-South: A Meeting on African and Afro-Diasporic Technologies (2023-2024) in Zusammenarbeit mit Pivô in São Paulo (Brasilien), Centre d’art Waza in Lubumbashi (D.R. Kongo) und dem Humboldt Forum Berlin (Deutschland). Davor war Sara als Gastkuratorin des Projekts The Rise of the Coyote (2022) tätig, einem praxis- und rechercheorientierten Programm, das sich mit indigenen Technologien, Zukunftsforschung und Pflanzenintelligenz auseinandersetzt. Sie hat zudem Beiträge für Fachzeitschriften, Kunstmagazine und Ausstellungskataloge geschrieben. Ihr Artikel Manuel Amaru Cholango: Decolonizing Technology and the Construction of Indigenous Futures wurde 2020 von der Latin American Studies Association (LASA) als bester Essay in den Visual Culture Studies ausgezeichnet.
Das Kunstzentrum Centre d’art Waza wurde 2010 von einer Gruppe von Künstler*innen und Kulturschaffenden aus Lubumbashi, D.R. Kongo, gegründet. Waza entwickelt Ausstellungen, Publikationen und andere Kulturproduktionen, die das Experimentieren mit lokalen künstlerischen Praktiken, alternative Formen des Wissensaustauschs und die soziale Emanzipation fördern. Wazas Projekte befassen sich mit einem breiten Spektrum an Themen, darunter die Restitution afrikanischer Kulturgüter (z. B. Disolo, eine Reihe an Gesprächen mit Museumssammlungen in Zusammenarbeit mit der University of the Witwatersrand), Commons (Power to the Commons in Zusammenarbeit mit Ker Thiossane, Platohedro und SALTS), künstlerische Bildung (Another Roadmap School, Africa Cluster), Emanzipation von Paternalismus in der Lohnarbeit (Revolution Room) oder Cyberspace und die Zirkulation von Denkansätzen und Kunstwerken im Globalen Süden (AfricaTube in Zusammenarbeit mit dem AfricaMuseum, Tervuren, und Boda Boda Lounge Video Art Festival).
Der gemeinnützige Kulturverein Pivô – Art and Research (São Paulo und Salvador de Bahia, Brazil) wurde 2012 als Plattform für Austausch und künstlerisches Experimentieren gegründet. Das Hauptziel des Vereins ist die Förderung und Verbreitung der lokalen künstlerischen Produktion und die Schaffung eines freien und offenen Raums für den Dialog zwischen verschiedenen Akteur*innen im Bereich der zeitgenössischen Kunst und Kultur, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Das Pivô Salvador Residency Program folgt dem Selbstanspruch des Vereins, eine Plattform zum Experimentieren und für den Austausch zwischen Künstler*innen schaffen. Die Residenz ist ein Forschungsraum, in dem Pivô Research als Vermittler für einen möglichen Austausch zwischen den Akteur*innen auftritt.